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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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denken konnte, hatten sie eine Alarmanlage im Haus; das war also an sich nichts Neues – doch all die neuen Codes, Stimmerkennungsgeräte und Kameras irritierten sie. Es war geradezu, als hätte Stefanovic sie in einen Bunker eingemauert.
    Aber sie war wieder regelmäßig zurück im Internet, auf Facebook. Sie konnte ja nicht für immer einen Bogen um das Portal machen.
    In gewisser Weise war es ein gutes Gefühl, wieder zurückzukommen: Alles war gleich geblieben. Lollo mit genauso vielen Bildern von sich selber mit Champagnerglas in der Hand wie sonst. Tove mit genauso vielen idiotischen Status-Updates wie immer.
    Lollo schrieb im Chat: »Natalie! Hab dich hier ja mindestens 1000 Jahre nicht gesehen!«
    Natalie antwortete etwas weniger euphorisch: »Du weißt ja, wie die Dinge liegen.«
    »Ja L aber wie geht’s dir?«
    »Besser.«
    Lollo schrieb: »Du bist übrigens zur Party bei Jetset-Carl eingeladen ;-) Wusstest du das schon?«
    Natalie schaffte es nicht, sich näher damit zu befassen. Manchmal schien Lollo zu glauben, dass alles wie immer wäre.
     
    Später am selben Abend kam Patrik in die Küche und stellte sich in die Türöffnung. Natalie hatte gerade einen selber gemixten Smoothie getrunken. Inzwischen hatte sie wieder mehr Appetit.
    Patrik wartete, bis sie aufschauen würde. »Viktor kommt gleich, er parkt seinen Wagen auf der Straße.«
    Natalie nickte. Dachte: Stefanovics Kameras funktionieren offenbar. Auch wenn Natalie bereits wusste, dass Viktor unterwegs zu ihr war. Er hatte ihr nämlich eine SMS geschickt und gefragt, ob er kommen dürfe.
    Sie stand auf und ging in den Flur hinaus. An der Wand hing eine gerahmte Landkarte von Osteuropa, die recht alt zu sein schien. Die Grenzen verliefen anders als heute; sie war wahrscheinlich aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg.
    Die metallene Haustür war neu. Vorher hatten sie eine mit einem quadratischen Fenster darin gehabt. Jetzt hing stattdessen ein Flachbildschirm neben der Tür. Auf dem sah sie Viktor etwas weiter unten das Tor öffnen. Sie hatte ihm den Code per SMS geschickt. Er kam die Auffahrt herauf. Trug seinen Italia-Pulli und ausgefranste Jeans im Used-Look. Hielt einige Sekunden lang inne. Streckte den Rücken. Schaute direkt geradeaus. Klingelte schließlich an der Tür.
    Die neuen Schlösser zu bedienen, war etwas diffizil. Sie öffnete ihm.
    Sie umarmten sich. Viktor küsste sie auf den Mund. Er fragte, wie es ihr gehe. Dann hielt er inne. Natalie schaute ihn an. Sein Blick glitt an ihr vorbei ins Haus hinein.
    Natalie drehte sich um.
    Etwas weiter hinten im Flur stand Patrik. Beobachtete. Kontrollierte. Bewachte sie.
    Natalie sagte: »Kümmere dich nicht um ihn. Er wohnt jetzt hier, nach dem, was passiert ist, du weißt schon.«
     
    Später. Sie hatten sich
The Blind Side
angeschaut, den Viktor auf seinem iPad hatte: Sandra Bullock sah gut aus; sie baute einen amerikanischen Footballstar auf. Ein anrührender Film, ganz klar – das Leben war ja in Wirklichkeit auch so.
Not!
    Sie lagen in Natalies einsvierzig breitem Bett. Im Vergleich mit dem King-Size-Bett, das Viktor hatte, kam es ihr eng vor. Es war ein merkwürdiges Gefühl, gemeinsam mit ihm bei sich zu übernachten.
    Normalerweise übernachteten sie in seiner Zweizimmerwohnung auf Östermalm. Er hatte viel Geld für einen schwarzen Mietvertrag hingeblättert, konnte sich jedoch keine Eigentumswohnung leisten.
    Viktor mit bloßem Oberkörper. Er sah gut aus. Doch als der Film zu Ende war, stellte er sich vor den Spiegel und inspizierte seine Tattoos. Auf seinem rechten Bizeps und der Schulter prangte ein Tribalmotiv – lange spitz zulaufende Flammen, die ineinanderflossen und sich bis hinauf zu seinem Hals wanden. Auf seinem linken Unterarm prangten eine Zahlenfolge in schnörkeliger Schreibschrift: 850524–0371 – seine Personennummer – sowie zwei fünfstrahlige Sterne in schlichtem Schwarz. Auf der anderen Seite stand entlang des gesamten Unterarms in gotischen Gangsterlettern geschrieben:
Born to be King
 – wie bei einem richtigen Latinogangster aus den südlichen Vorstädten von LA . Fand Viktor jedenfalls.
    Sie betrachtete ihn. Viktors Tattoos wirkten im Vergleich zu denen auf den Unterarmen von Papas Geschäftsfreunden und anderen Bekannten geradezu lächerlich. Gorans halb verwaschene Tätowierung: der Doppeladler und die vier kyrillischen Buchstaben CCCC  – das Staatswappen der Serbischen Republik Krajina. Milorads Indianerfedern: hässlich, im Stil der

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