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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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Heizstrahler, die mit Gas betrieben wurden und die kühle Mailuft etwas angenehmer machen sollten. Jetset-Carl ging kein Risiko ein – ein Drittel der Terrasse wurde von einem Partyzelt mit Infrarotstrahlern eingenommen. Aber die Luft draußen war ganz okay. Die Gäste drängten nach. Aus riesigen Lautsprechern ertönte der neueste Hit von Rihanna.
    Überall hingen die gleichen Werbeplakate für Smirnoff wie unten.
    Sie warf einen Blick auf die Leute. Derselbe Mix wie unten in der Wohnung. Dieselben ausdruckslosen Gesichter. Außer bei denen, die zu high waren, um ihre Neugier auf die Promis zu verbergen.
    Natalie schaute über das Geländer hinweg. Der Himmel war dunkelblau. Die Lichter der Stadt erleuchteten ihn. Sie konnte das Dach und die Spitze der Hedvig-Eleonora-Kirche erkennen. Weiter hinten erblickte sie die Türme der Markthalle. Dunkle Silhouetten am nächtlichen Frühjahrshimmel. Sie musste an das Gespräch denken, das sie mit Papa geführt hatte, nachdem er aus dem Krankenhaus gekommen war.
    »Natalie, ich möchte gerne ein paar Worte mit dir wechseln.« Immer dieses komplizierte Serbisch, obwohl er wusste, dass Natalie lieber Schwedisch sprach.
    Sie gingen in die Bibliothek.
    Am Schreibtisch saß Stefanovic. In einem der Sessel saß Goran, in einem weiteren Milorad. Alle drei waren während des Mordversuchs unten im Parkhaus dabei gewesen. Papa setzte sich in den Sessel, in dem er immer saß. Den einen Arm in einem Dreiecktuch.
    Natalie begrüßte die Männer; sie küssten sie auf die Wangen: rechts, links, rechts. Sie kannte alle drei. Sie gehörten zum Umfeld ihrer Familie, solange sie denken konnte. Und dennoch kannte sie sie eigentlich überhaupt nicht. Jetzt überkam sie das Gefühl, dass sie sich als Erwachsene begegneten. Zum ersten Mal.
    Papa schenkte sich ein Glas Whisky ein.
    Er schwenkte den Inhalt ein wenig, bevor er ihn probierte.
    »Natalie, meine Tochter, ich denke, es ist wichtig, dass du zumindest bei einem Teil unseres Gesprächs hier anwesend bist. Möchtest du auch?«
    Natalie schaute ihn an. Er hielt die Whiskyflasche und ein Glas in der Hand. Johnnie Walker Blue Label. Es war ebenfalls das erste Mal in ihrem Leben, dass er ihr einen Whisky anbot.
    Sie nahm das Glas entgegen. Papa schenkte ihr ein.
    Er wandte sich an die anderen im Raum. »Das hier ist meine Tochter, seht ihr? Sie spuckt wahrlich nicht ins Glas. Eine echte Kranjic.«
    Stefanovic nickte hinten in seiner Ecke. Die Männer im Raum mochten sie, das spürte sie – sie waren Papas Verbündete. Die Einzigen außerhalb ihrer Familie, auf die sie sich im Moment verlassen konnte.
    Papa begann mit seinen Ausführungen. »Wir befinden uns an einer Weggabelung.«
    Natalie nahm einen Schluck Whisky, er brannte angenehm in der Kehle.
    »Ich möchte, dass du dabei bist und verstehst, was genau geschieht. Die Abrissfirma, der Alkohol- und Zigarettenimport, die Glücksspielautomaten, die Garderoben – du weißt ja, womit ich mich beschäftige, Natalie. Und dann haben wir auch noch andere Geschäfte laufen. Aber im Augenblick können wir sie ruhen lassen.«
    Er schwenkte erneut den Whisky in seinem Glas.
    Natalie wusste, dass ihr Vater noch in anderen Sparten aktiv war. Seine Geschäftsbereiche waren weit gefächert. Vieles von dem, was er machte, wurde von anderen Leuten, beispielsweise auch von Lollo, als nicht ganz sauber angesehen – aber das war das Los eines jeden Einwanderers. War es denn so viel besser, sein Geld als Risikokapitalist zu verdienen, indem man Unternehmen ausschlachtete und Angestellte entließ und dabei eine dermaßen gewiefte Firmenpolitik betrieb, dass man keine einzige Öre an Steuern zahlen musste, wie Louises Vater es tat?
    Dafür, dass Radovan als Zwanzigjähriger in den Scaniafabriken in Södertälje angefangen hatte, war er weit gekommen. Er hatte sich gegen alle Erwartungen aus dem Nichts hochgekämpft. Die meisten Betriebe, die er heute unterhielt, waren nicht unbedingt illegal, aber in den Augen der schwedischen Gesellschaft würde er immer als kriminell eingestuft werden. Die Schweden waren doch selber schuld – wenn man einem Menschen niemals die Möglichkeit gab, eine ehrenwerte Arbeit zu verrichten, musste man akzeptieren, dass dieser Mensch hin und wieder die Regeln ignorierte. Mit dem Land der Schwedendemokraten würde es sowieso bergab gehen.
    Papa fuhr fort. »Stockholm war viele Jahre lang unser unangefochtener Markt. Wir haben harte Schläge einstecken müssen, ganz klar.
Kum
Jokso

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