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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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illegale Machenschaften in Stockholm.
     
    Ich weiß, dass man mich den Jugoboss nennt und mich mit einer Menge anderer verrückter Namen tituliert, sagte er vor vier Jahren in einem Interview im
Aftonblad
.
    Mit einer Größe von über zwei Metern, einem durchtrainierten Körper und einem Kampfgewicht von ungefähr hundert Kilo fühlte er sich unbesiegbar. Keiner würde in der Lage sein, ihn anzugreifen.
     
    Ich bin ein ganz gewöhnlicher Typ, aber ich trainiere seit 30 Jahren, sagte er und lachte.
    Radovan Kranjic war vor über dreißig Jahren aus Jugoslawien nach Schweden gekommen. Viele waren der Meinung, dass er die Kunst beherrschte, extrem charmant zu sein, und dass er mit Geld nur so um sich warf. Er hatte unter anderem großes Interesse am Trabrennsport und besaß selbst drei Rennpferde. Er war ebenfalls ein großer Liebhaber des Kampfsports und sponserte selbst eine Vielzahl von sogenannten Fightern.
    Doch Radovan Kranjic war außerdem bereits wegen rechtswidriger Bedrohung, Körperverletzung, illegalem Waffenbesitz und Steuerhinterziehung zu Gefängnisstrafen verurteilt worden. Seit 1990 hielt er sich jedoch straffrei.
     
    Das waren Jugendsünden. Heute mache ich so etwas nicht mehr, sagte er in einem Interview im
Aftonblad
.
    In Serbien besaß er enge Freunde in Teilen der serbischen nationalistischen Bewegung – darunter Zeljko Raznatovic, besser bekannt als Arkan, der die paramilitärische Privatarmee Die weißen Tiger leitete. Es wird davon ausgegangen, dass Radovan Kranjic selbst während der Jahre 1993–1995 am Krieg im ehemaligen Jugoslawien teilgenommen hat, als er sich längere Phasen außerhalb Schwedens aufhielt.
    In Stockholm begann Radovan Kranjic unter anderem als Türsteher in unterschiedlichen Kneipen zu arbeiten. Er war ein guter Freund von Dragan Joksovic, besser bekannt als Jokso, der bis zu seiner Ermordung 1998 auf Solvalla ebenfalls als Anführer in der Unterwelt Stockholms galt. Viele interpretieren den Tod von Radovan Kranjic als Wiederholung des Schicksals von Jokso.
    Während der vergangenen Jahre baute Radovan Kranjic sein Tätigkeitsfeld auf, er leitete ein Türsteherunternehmen und betrieb diverse Geschäfte innerhalb der Immobilien- und Baubranche. Die Polizei hegt den Verdacht, dass er darüber hinaus ebenfalls Zigarettenschmuggel betrieb und ein Glücksspielimperium aufbaute. Verlässliche Quellen innerhalb der Polizeibehörde teilten dem
Aftonblad
mit, dass Radovan Kranjic außerdem verdächtigt wurde, Bordelle und Schutzgelderpressung in Stockholm zu betreiben.
    Eine Person aus dem näheren Umfeld Radovan Kranjics sagt dem
Aftonblad
:
    Radovan Kranjic lebte ein hartes Leben, aber für viele von uns war er ein Held. Morgen wird er in aller Stille beigesetzt. Ein König kommt endlich zur Ruhe.
    Die Polizei ist jedoch anderer Auffassung und wird während der Beisetzung zusätzliche Sicherheitsmaßnehmen anordnen.
     
    Anders Eriksson

15
    Chorgesang. Mehrstimmig. Sakrale Atmosphäre. Dann einige Minuten lang der Sologesang des Bischofs.
    Danach ertönte erneut der Chor. Auf Kirchenslawisch. Mit den Texten des heiligen Kyrill.
    Es roch nach Weihrauch und Myrrhe. Natalie versuchte sich auf die Worte zu konzentrieren, auch wenn sie sie nicht verstand.
    Mama bekreuzigte sich. Natalie kam sich verloren vor.
    Die Aufbahrung. Natalie stand am dichtesten am offenen Sarg. Um sie herum ein Berg von Blumenkränzen. Sie versuchte ihren Blick auf das Holzkreuz hinter dem Sarg zu heften. Doch sie konnte ihren Blick nicht von ihrem Vater losreißen. Er wirkte so einsam, obwohl die Kapelle proppenvoll mit Leuten war. Er trug einen schwarzen Anzug. Seitlich gescheiteltes Haar. Die Arme über der Brust verschränkt. Eine Ikone mit seinem
svetac
, dem heiligen Georg, in den Händen. Ihr Vater sah so klein aus. Und er war stumm.
    So stumm.
    Natalie und ihre Mutter hatten am Tag zuvor mit dem Bischof gesprochen. Hatten gemeinsam festgelegt, wie die Zeremonie mit den diversen Ritualen ablaufen sollte. Jede serbisch-orthodoxe Familie besitzt einen eigenen Heiligen, einen
svetac
. Im Kranjic-Clan war es bereits seit über hundert Jahren der heilige Georg. Der Legende nach hatte der heilige Georg den Drachen getötet, er war ein Krieger. Es passte besser zu Papa als zu irgendeinem anderen hier.
    Es war eine lange Nacht gewesen. Der Tradition zufolge hätte der Leichnam eigentlich innerhalb von vierundzwanzig Stunden beerdigt werden müssen. Aber neben der Tatsache, dass die Polizei eine

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