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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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gelänge, an irgendwelche Papiere heranzukommen.
    Draußen im Flur hörte sie, wie Patrik versuchte, die Männer hinauszukomplimentieren.
    Schließlich eine autoritäre Bullenstimme: »Hören Sie, immer mit der Ruhe. Wir entscheiden, ob wir hier etwas finden können oder nicht. Und wenn Sie uns nicht gewähren lassen, sind wir gezwungen, Verstärkung anzufordern.«
    Natalie hatte genügend gehört. Sie verließ die Küche. Im Korridor davor lauschte sie nach den Stimmen der Polizisten. Sie befand sich jetzt mehrere Räume von ihnen entfernt.
    Sie ging am gemeinsamen Schlafzimmer ihrer Mutter und ihres Vaters vorbei. Es war leer. Ein zwei Meter hohes Bettgestell – wie ein Himmelbett, allerdings ohne Himmel. Das Bett in Kingsize-Größe war mit einem lilafarbenen Seidenüberwurf bedeckt, in dessen Mitte ein großes Kranjic-Emblem gestickt war.
    Der Teppichboden verschluckte ihre Schritte.
    Sie ging am Badezimmer ihrer Mutter vorbei, am Fernsehzimmer und an ihrem eigenen Zimmer. Der Flur machte einen Knick. Sie ging am Gästezimmer vorbei, in dem Patrik wohnte. Die Tür zur Bibliothek und zum Büro ihres Vaters war noch drei Meter von ihr entfernt.
    Jetzt hörte sie Patriks aufgebrachte Stimme aus der Entfernung. Gut – er diskutierte immer noch mit den Bullen.
    Sie öffnete die Tür zum Büro. Auf dem Schreibtisch aus massiver Eiche lag eine großflächige Lederunterlage. Darauf stapelten sich Papiere unter einem Briefbeschwerer mit dem Kranjic-Wappen. Daneben stand ein zugeklappter Laptop und ein Behältnis mit Stiften – auf vielen Stiften war ebenfalls das Emblem eingraviert. Auf dem Fußboden lag ein echter Teppich, auf dem dekorative Vasen standen. Im Bücherregal: Werke zu wirtschaftlichen Themen, Stapel von Papieren und Aktenordner.
    Natalie hatte keine Zeit zu überlegen. Wie ein gut abgerichteter Hund steuerte sie auf ihr Ziel zu – das Bücherregal. Sie zog so viele Ordner heraus, wie sie tragen konnte. Öffnete die Tür mit dem Fuß. Warf einen letzten Blick zurück ins Büro. Erblickte etwas, das sie gern noch mitnehmen wollte. Auf dem Schreibtisch lag ein aufgeschlagener Ordner. Ihr Vater musste sich zuletzt mit ihm beschäftigt haben.
    Sie legte einen der Ordner ab, die sie bei sich trug. Schnappte sich stattdessen den Ordner auf dem Schreibtisch. Insgesamt: Sieben Ordner konnte sie auf einmal tragen, wenn sie beide Arme benutzte. Wenn Zeit bleiben sollte, würde sie noch einmal zurückkommen und noch mehr mitnehmen.
    Sie verließ das Büro. Durch den Korridor.
    Sie hörte Stimmen.
    Bullenstimmen.
    Aasstimmen.
    Natalie öffnete die Küchentür. Nahm den Weg hinten herum zu ihrem Wagen. Hoffte, dass die Polizeiärsche sie nicht sahen.
    Sie fuhr in die Stadt. Rief Louise an, um zu fragen, ob sie kurz vorbeikommen könne. Doch Lollo war nicht zu Hause. Sie rief Tove an. Fuhr mit den Ordnern zu ihr.
     
    Sie saß erneut in ihrem Wagen. Sie hatte Mittagsschlaf gehalten. Mit Patrik gesprochen, der ihr signalisierte, dass keine Gefahr bestand. Er sagte, dass sich alle wichtigen Unterlagen im Büro Redovisningskonsulten von Mischa Bladman, dem Buchhalter ihres Vaters, befinden dürften.
    Die Bullen hatten das Büro ihres Vaters leergeräumt. Natalie erwähnte nicht, dass sie zuvor sieben Ordner sichergestellt hatte.
    Jetzt war sie auf dem Weg zum Krankenhaus auf Söder, wohin Stefanovic verlegt worden war. Es wurde Zeit für das Gespräch.
    Sie war früh dran. Fuhr durch die Stadt. Über Norrtull. Am Vanadisrondell waren viele nervige Zebrastreifen, wo die Leute geradewegs auf die Straße liefen. In der Stadt hatte sich die Verkehrssituation noch immer nicht entspannt.
    Sie fuhr über den Karlbergsväg. Warf einen Blick hinunter entlang der S:t Eriksgata. Man konnte bis zur Brücke nach Kungsholmen sehen, fast bis zur Fleminggata. Sie hatte eine ungewöhnlich lange Strecke im Blick. Ein Längsschnitt durch die Stadt Stockholm. Eine Arterie, die Leben in die Stadt pumpte. Das Territorium ihres Vaters. Ihr Territorium.
    Sie parkte ihren Golf auf einem Besucherparkplatz unterhalb des Krankenhauses. Vergaß beinahe, den Wagen abzuschließen. Klickte auf den Schlüssel, als sie bereits zwanzig Meter entfernt war. Sie hörte, wie die Schlösser den Wagen verriegelten.
    Der Eingangsbereich war weitläufig. Sie beobachtete die Menschen. Alte Männer mit Rollator, Siebenjährige mit Gipsbein, die gemeinsam mit ihren Müttern warteten, verhüllte somalische Frauen, die trotz des sonnigen Wetters eine Schicht

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