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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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Kleidung über der anderen trugen. Natalie hatte keine Ahnung, wie sie zur Station gelangen sollte, auf der Stefanovic lag. Sie hatte Angst, sich zu verlaufen.
    Aber es war nicht nur das. Sie hatte auch Angst, dem Ganzen nicht gewachsen zu sein. Das Treffen mit Stefanovic war nicht das Einzige. Es passierte ja am laufenden Band etwas. Vorgestern: Sie war im Zusammenhang mit dem Mord zur Vernehmung bei der Polizei gewesen. Sie wollten von ihr wissen, was sie auf der Straße gesehen hatte, als er in die Luft gesprengt wurde. Gestern: die Beerdigung. Heute: die panikartige Sicherstellung der Ordner vor den verdammten Bullen. Und jeden Tag seit dem Mord an ihrem Vater: aggressive Journalisten, die sie interviewen wollten. Was zum Teufel bildeten sie sich eigentlich ein – dass sie ausgerechnet mit
ihnen
über ihre Gefühle sprechen würde?
     
    Abteilung 43.
    Sie ging den Korridor entlang. Vor einem Zimmer saß ein Typ im Alter um die fünfundzwanzig. Natalie kannte ihn nicht, aber sein Erscheinungsbild kam ihr bekannt vor – Jogginghose, Kapuzenjacke mit Reißverschluss, auf der
Budo Nord
stand, extrem muskelbepackt und mit misstrauischem Blick. Es musste sich um einen der Angestellten ihres Vaters handeln.
    Sie nickte dem Typen zu. Er stand auf und öffnete ihr die Tür. Natalie ging hinein.
    Ein helles Zimmer. Fenster mit Aussicht auf die Bucht von Årsta. Gardinen mit Blumenmuster sowie helle Möbel. Strukturtapete, Linoleumfußboden und hundert Prozent Krankenhausatmosphäre.
    In dem Bett, das an einer Wand stand, saß Stefanovic gegen diverse Kissen gelehnt, die seinen Rücken auspolsterten.
    Goran, Marko, Milorad und Bogdan saßen auf Stühlen. Ein Stuhl war frei.
    Stefanovics Gesicht war blass. Ansonsten konnte sie keine Spuren der Explosion an ihm erkennen. Sie konnte ihn fast nicht ansehen – das Ganze erinnerte sie zu sehr an ihren Vater.
    »
Dobrodošao

    Stefanovic blieb sitzen. Die anderen Männer standen auf und küssten sie der Reihe nach auf die Wangen.
    Natalie setzte sich auf den freien Stuhl.
    Stefanovic versuchte sich noch ein wenig mehr aufzurichten und sagte auf Serbisch: »Gut, jetzt sind alle hier. Dann können wir anfangen.«
    Er wandte sich an Natalie. »Es wäre gut, wenn du dein Handy ausschalten würdest.«
    Natalie begegnete seinem matten Blick. »Ich hab es schon lange nicht mehr angehabt. Die Journalistenschweine, ihr wisst schon.«
    »Ich verstehe.«
    Er wirkte todernst.
    »Ich bin froh, dass wir uns so schnell treffen konnten. Aber zuerst möchte ich sagen, dass ich von vielen gehört habe, dass es gestern sehr würdig war. Eine wichtige Manifestation für uns. Viele einflussreiche Personen waren anwesend. Dmitrij Kostic, Ivan Hasdic, Nemanja Ravic. Magnus Berthold, Joakim Sjöström und Diddi Korkis, um nur einige zu nennen. Ich freue mich auch für dich, Natalie.«
    Die Art, wie Stefanovic redete, war merkwürdig – das Ganze handelte mehr von den Gästen als von der Zeremonie an sich. Doch Natalie sagte nichts. Sie ließ ihn zu Ende reden.
    »Und jetzt müssen wir uns der Wirklichkeit stellen. Es geht um zwei Dinge. Zum Ersten müssen wir
Kums
Vermögen sicherstellen. Die Abteilung für Wirtschaftskriminalität ist bereits im Hause der Familie gewesen und hat darüber hinaus das Buchführungsmaterial aus dem Büro des Buchhalters angefordert. Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich die Ordner bereits vor einigen Tagen an mich genommen, aber jetzt ist es zu spät. Die Unternehmen werden mit Sicherheit demnächst böse Briefe vom Finanzamt erhalten. Natalie, ich möchte dich darauf hinweisen, dass euch dieselben Anfragen im Hinblick auf seine Hinterlassenschaften bevorstehen. Es existieren Konten in diversen Ländern, die wir ausfindig machen und sicherstellen müssen. Ich kann euch einen guten Nachlassverwalter empfehlen.«
    Stefanovic fuhr fort: »Wir müssen uns formieren, um allen Arschfickern entgegenzuwirken, die glauben, dass wir außer Gefecht gesetzt sind. Und ich verspreche euch, die kleinen Pisser da draußen meinen, wir ziehen jetzt den Schwanz ein und krepieren, nur weil
Kum
Rado tot ist. Ich nehme an, dass jeder von euch bereits zur Vernehmung einbestellt wurde. Sie sind zumindest hier gewesen und haben mich vernommen, und ich hatte das deutliche Gefühl, dass sie gar nicht wirklich ermitteln wollen. Ihr wisst ja, die Polizei macht keinen Finger krumm. Sie wollen den Mörder überhaupt nicht finden. Im Gegenteil – sie sind froh, dass
Kum
weg ist, und sehen ihre

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