Lasse
andere.
Meine Mutter lag auf dem Sofa und las auf ihrem iPad.
»Ich gehe noch ein bisschen laufen.«
Sie sah erstaunt auf.
»Draußen ist es dunkel, ich meine, richtig dunkel.«
»Schon in Ordnung.«
Ich zog mir die Schuhe an und einen Hoodie über.
Sie stand auf und reichte mir eine Stirnlampe. »Hat Sven hiergelassen, falls wir nachts raus müssen.«
»Danke.«
Draußen schien der Mond. Ich lief die Einfahrt hinunter und dann einfach auf der Straße weiter. Viele Autos kamen hier sowieso nicht vorbei.
9 Als ich am nächsten Morgen in die Küche kam , saß Lisa am Küchentisch. Sie hatte mir den Rücken zugekehrt.
»Morgen!«
Sie drehte sich überrascht um, sicher erwartete sie so früh morgens niemanden in der Küche. Ihre Augen waren leicht gerötet, vermutlich hatte sie geweint, aber sie gab sich Mühe, das zu vertuschen und lächelte fast übertrieben.
»Was macht der Daumen?«
»Hat die ganze Nacht geklopft.«
»Konntest du nicht schlafen?«
Sie wurde rot, als ihr klar wurde, dass ich Ole und sie gehört haben musste. Ich fummelte an meinem Verband herum.
»Soll ich dir einen neuen machen?«
Der Verbandskasten stand noch auf der Spüle.
»Gerne.«
Ich setzte mich und sah Lisa zu, wie sie alles auf dem Tisch zurechtlegte.
»Das wird jetzt aber keine Operation, oder?«
Sie grinste. »Nur wenn der Daumen sich über Nacht von der Hand gelöst hat.«
Sie wickelte den Verband ab. Ich sah zur Seite, als sie die Kompresse löste, die an der Wunde klebte.
»Kann wehtun ...«
»Macht nichts.«
Sie arbeitete ruhig und sorgfältig, wie schon am Tag davor.
»Meinst du, es gibt hier ein Taxi, das ich mir bestellen kann?«, sagte sie leise und konzentrierte sich dabei ganz auf meinen Daumen.
»Klar, ein Taxi kommt bestimmt heraus. Willst du weg?«
Sie schwieg und sagte dann unvermittelt: »Wer ist Linnea?«
»Linnea? Keine Ahnung.«
Sie wich meinem Blick aus. »Er meinte, sie wäre seine große Liebe.«
Natürlich ging es um Ole. Er schaffte es immer, dass sich alles um ihn drehte. Andererseits war es interessant. Ole und die große Liebe?!
»Wann hat er das gesagt?«
»Beim Bergfest auf dem Dreh. Irgendwie kamen wir darauf und dann hat er es erzählt. Dass er sie liebt, aber dass sie nicht zusammenkommen können.«
Ich starrte Lisa an und in meinem Kopf ratterte es, dann tauchte ein äußerst verschwommenes Bild auf. Ole und ich im Sommerurlaub in Schweden. Meine schwedischen Cousins Arne und Leif, Ole ungefähr 15 ich also 13 und noch nicht sonderlich an Mädchen interessiert. Linnea. Die Tochter der Nachbarn. Hieß Arnes Frau nicht Linnea?
»Das hat er dir echt erzählt?«
»Er war betrunken. Ich glaube, er erinnert sich nicht mehr.«
Ich versuchte, mir das vorzustellen. Nicht Ole betrunken, das hatte ich schon ein paar Mal erlebt. Aber Ole verliebt. Ole, unglücklich verliebt. Ole schon über Jahre unglücklich verliebt. Ich wusste nicht, was ich Lisa sagen sollte. Sicher nichts über die Frau meines Cousins, sie hatten sogar schon ein Kind.
»Hej, hej!«
Ole kam in Boxershorts und ausgeleiertem Shirt in die Küche, die Haare wild durcheinander und trotzdem sah er verdammt gut aus. Vermutlich war es der Sex. Lisa sprang schnell auf und hantierte nervös mit dem Verbandskasten herum.
»Danke.«
Ich stand auf. »Tja, ich denke mal, ich lauf jetzt noch ne Runde.«
»Kann ich mitkommen?«, fragte Lisa.
Ich sah erstaunt zu Ole, der nur mit den Schultern zuckte.
»Oder willst du allein sein?«
»Nein, ist schon okay.«
Es war klar, dass ich mit Lisa nicht joggen würde. Sie ging ruhig neben mir und zeitweise vergaß ich sogar, dass sie mich begleitete. Es war noch immer warm, Spätsommer. Im Wald wurde es sofort kühler.
»Wollen wir neben dem Weg laufen?«
»Ja, kein Problem, ich habe die richtigen Schuhe an«, sagte Lisa in ihrer typischen, leicht amüsierten Art.
Der Wald war nicht gerade aufgeräumt wie es in den städtischen Wäldern der Fall ist, wo alte Bäume gefällt werden und das Holz neben den Wegen gestapelt wird. Hier lagen die abgebrochenen Äste kreuz und quer herum, waren verwittert, mit Moos überwachsen und überall raschelte es im Unterholz.
»Gibt es hier Tiere?«, fragte Lisa leicht beunruhigt. »Ich meine, große?«
»Elche?«
»Oder Bären?«
»Keine Ahnung!«
Wir lachten albern. Auf einmal fand ich es sogar schön, dass ich nicht allein war und Lisa die Stellen zeigen konnte, die ich schon entdeckt hatte.
»Hier ist ein Fuchsbau. Da haben
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