Lasse
auf den enthaltsamen Teil unserer Wohngemeinschaft nehmen. Ole nahm sich einen Becher und goss Lisa Kaffee ein, bevor er sich selber welchen nahm. Heute mal Gentleman . Ich überlegte, wann ich ihm von Leif und Arne und vor allem Linnea erzählen sollte.
Meine Mutter kam zurück in die Küche. »Nora hat mich gerade angerufen.«
Ich sah hoffnungsvoll auf. »Ja?«
Nora. Das Filmprojekt . Da gab es diesen winzigen Hoffnungsschimmer, dass alles vergeben und vergessen war und ich die Rolle doch noch bekam. Obwohl ich wusste, dass es so nicht lief. Dies hier war das Filmgeschäft.
»Sie bietet Gerion die Rolle an!«
Meine Mutter lächelte unsicher. Als Agentin freute sie sich, als Mutter war ihr klar, dass es für mich eine zusätzliche Demütigung war. Und ja, es war ein Schlag in den Magen. Gerion bekam nicht nur ständig die besseren Rollen, jetzt bot man ihm auch noch die Rollen an, die ich sonst spielte.
»Das kann er nicht annehmen!«, sagt Ole hart.
Ich sah ihn genervt an. So nett es war, hier Solidarität mit mir zu zeigen, so unprofessionell war es. Wenn Gerion die Rolle wollte, war das vollkommen okay. Ich konnte mir allerdings nicht vorstellen, dass er in einem Kinofilm für die Nachmittagsunterhaltung mitspielen wollte.
»Natürlich kann er das!«, sagte ich entschieden.
»Ich sollte ihn gleich fragen. Nora möchte eine schnelle Antwort.«
Meine Mutter zog sich wieder zurück und Ole und Lisa setzen sich zu mir an den Tisch. Ole war richtig aufgebracht.
»Gerion sollte absagen! Es war deine Rolle. Und Nora soll hier bloß nicht den Moralapostel spielen. Sie hat ein Verhältnis mit einem verheirateten Typen, oder? Und warum sollst du ...«
»Ist schon gut, Ole.«
»Wieso? Und wovor hat sie Angst? Besser schlechte Presse als gar keine Presse. Wenn du schön brav deinen Job machst, dann haben die nichts zu schreiben. Und denk mal an die Sache mit Kate Moss und dem Koks. Erst regt man sich auf, dann wollen alle sie buchen. Vollkommen verlogen. Das ist wie mit diesem Schauspieler, der ... jedenfalls, alle wussten, er ist Alkoholiker ...«
»OLE, schon gut!«
Ole starrte mich an, als hätte ich gar nichts begriffen. Aber ich war ganz klar. Vielleicht im Gegensatz zu ihm. Egal, wie verlogen oder falsch es war, was die anderen machten, ich wollte mein Leben in Ordnung bringen.
Lisa schaute von Ole zu mir. »Noch Kaffee, Lasse?«
Ich nickte. Ganz ruhig. Ich würde das hinbekommen.
Ich hörte die Stimme meiner Mutter aus dem Nebenraum, wie sie lachte, Konversation machte, dann das Gespräch beendete und zu uns zurückkehrte.
»Stellt euch vor, Gerion hat Lust auf die Rolle!«
Sie war so überrascht wie ich. Ole ließ sich genervt auf seinem Stuhl zurückkippeln und sah mich provokativ an. Ich gab mir Mühe, ganz gelassen zu bleiben, aber Ole kannte mich gut. Er wusste genau, wie ich mich fühlte. Innerlich verbrannte ich vor Wut, Scham und Eifersucht. Da gab es noch einen langen Weg.
Meine Mutter vermied den Blickkontakt mit mir und goss sich umständlich einen Kaffee ein, dann sah sie zu Ole.
»Es gibt übrigens auch eine Anfrage vom Tatort für dich, Ole. Diesen Herbst, sieben Drehtage. Interesse? Sie schicken das Buch.«
Ole nickte.
Ich lachte unsicher. »Und was ist mit mir?«
Es war scherzhaft gemeint, klang aber verkrampft. Meine Mutter lächelte. Es war dieses Lächeln, was sie für ihren jüngsten Sohn reserviert hatte. Der, der die Dinge noch nicht durfte oder konnte, die sie Ole, ihrem Ältesten, erlaubte.
»Lass doch erst mal etwas Gras über die Sache wachsen.«
Okay, die Sache . Die negative Presse, die schlechte Aufmerksamkeit. Es war nur so, dass für Ole offenbar kein Gras über irgendetwas wachsen musste, denn für ihn kamen weiterhin Angebote herein und wie ich ihn kannte, würde er einige davon sogar ablehnen. Ich war auf einmal genervt und hatte Lust, Ole herauszufordern.
»Ach, Ole«, sagte ich, »weißt du schon, dass Papa uns am Wochenende zum Set einlädt? Komparsen spielen. Arne, Leif und Linnea kommen auch.«
Ole wurde blass, seinen Augen weiteten sich überrascht. Ich hatte mit vielen gerechnet, aber nicht damit, dass es ihm so nah ging. Lisa und ich tauschten einen kurzen Blick. Und Ole?
Er stand auf und ging. Einfach so. Mein Bruder hatte doch ein Herz. Nur nicht für Lisa.
10 Ich mochte Arne und Leif , auch wenn sie ganz anders als Ole und ich waren. Kleiner, stämmiger, blonder, robuster. Arne war etwas älter als Ole und immer der Anführer bei
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