Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)
zu ihm ins Bettchen neben der offenen Balkontür. Da liegt er und schläft – die Mütze, die Olga ihm aufgesetzt hat, sitzt schief.
A mulettgedöns oder
D ie Eso-Pause der weiblichen Intelligenz
E in Baum steht da am Straßenrand. Es ist nicht so einer wie die anderen, die ihre Wurzeln in die Erde strecken, Blätter und Samen tragen, Schatten spenden und im Herbst jede Menge Laub abwerfen. Nein, der Baum am Straßenrand ist ein toter Stamm, in den kundige Hände kleine Fächer gesägt und geschraubt haben, in denen wiederum kleine Flyer stecken. Ich greife mir die dargebotenen Zettel heraus, lese, stutze, grinse. Und trage meine Beute schnell in die Wegwarte.
Ich gebe zu, dass auch ich eine Phase in meinem Leben hatte, die man esoterisch nennen könnte. Wenn man es weniger nett formulieren würde, könnte, ja müsste man gar von einer Zeit geistiger und emotionaler Umnachtung sprechen – einer kleinen Auszeit, einem Power Nap der Intelligenz zugunsten einer an leichten Schwachsinn grenzenden Gläubigkeit an dieses und jenes. Ich weiß auch noch, wann das ungefähr war. Nämlich immer dann, wenn ich ein Kind bekam. Dann war ich plötzlich bereit, neben dem Notwendigen wie Beckenbodengymnastik und Rückenschule allerlei Quatsch auszuprobieren. Bauchtanz zum Beispiel. Körpererfahrung zu Musik – das volle Programm eben. Die schönen Flyer aus dem schönen Mutter-Erde-Baum am Straßenrand preisen genau so etwas an: Klangwelten, Amulettgedöns und Körpererfahrung für Muttis.
Ja, Frauen sind sehr ansprechbar für allerlei Esoterisches. Möglicherweise liegt das daran, dass sie durch das existenzielle Erlebnis der Geburt tatsächlich so etwas wie eine Verletzung, eine Grenzübertretung erfahren haben, die sie anschließend erst mal verknusen müssen. Auf sie wartet dann bereits eine ganze Armada von Heilerinnen, Schamaninnen und Reiki-Meisterinnen, um mit ihren in privaten Kursen teuer erkauften und erlernten Fähigkeiten Geschäfte zu machen. Mein Problem ist dabei nur, dass ich mit dem Abstand der Jahre und meinem sicher ganz, ganz schlechten Karma solche Zettel und Flyer lieben gelernt habe. Weil es so lustig ist, sie zu lesen, weil es prickelt, mich dabei fremdzuschämen und ganz langsam die zu den Texten gehörenden Bilder im Kopf aufsteigen zu lassen.
Seltsame Einladungen dichtet das Eso-Gewerbe für seine Kundinnen. Texte, die inhaltlich einfach nicht auf den Punkt kommen, aus Werbersicht also unmöglich sind – aber wohl gerade deshalb genau jene ansprechen, die ihr Glück im Ungefähren suchen. Beispiel gefällig? Hier eine ellenlange Ein-Satz-Botschaft einer Transformations-Coachin namens Corinna, deren Flyer ich aus jenem gut bestückten Baum am Straßenrand gezupft habe: »Auf Grundlage des Erlernens von Readings und der Kommunikation mit den Erzengeln, Einhorn-Energien und anderen hohen Lichtwesen können immer mehr aufeinander aufbauende Methoden der Medialen Transformationsarbeit dein Leben immer tiefer positiv verändern.«
Verstanden? Nein? Also wenn ich das richtig verstehe, kennt die Frau ein paar wichtige Leute im Energiebereich, die sie einem gern mal vorstellen würde. Man müsste sich lediglich drei Wochenenden Zeit nehmen, um sich von ihr zum »Medialen Transformations-Master Coach« ausbilden zu lassen. Nach Überweisung von 1565 Euro würde man dann von der Dame in die Lage versetzt, »mit lieben Verstorbenen und hohen Lichtwesen« zu kommunizieren, den » DNA -Strang zu aktivieren«, mit »Kristall- und Sternenkindern zu arbeiten« sowie – und das gefiele mir besonders gut – Grundstücke und Wohnungen energetisch zu reinigen. Da wäre bei mir einiges zu erledigen.
Ebenfalls sehr ansprechend ist der Flyer von Sabine, »45 Jahre und Mutter«, deren Kurs »Mutter & Kind in Klang und Bewegung« heißt. Sabine bietet an, in die Klangwelten von Obertoninstrumenten einzutauchen und bei dieser Gelegenheit in uns hineinzulauschen. Und was finden wir da? Da spüren wir »Ruhe, Stille, die sich zur inneren und äußeren Bewegung formen kann, bis hin zu eigenen Tönen«. Was denn für eigene Töne? Ist das ein Pups-Workshop, bei dem es sowohl still ist als auch laut, ruhig und bewegt zugleich? Sabine stellt in Aussicht, »individuell und in der Gruppe« eine Reise anzutreten, auf der sich ab einem bestimmten Streckenkilometer »die Tiefe der Begegnung offenbart und in der Kraft und Harmonie zwischen Mutter und Kind erlebbar wird«.
Ich stelle mir vor, wie ich Sabine zufällig bei einem
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