Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)
schön gebadet«. Sie verfügt über Vinyl-Arme und -Beine sowie einen »Scheibengelenkkörper«, mit dem sie sich »gut an dich herankuscheln kann. Körper und Köpfchen wurden mit ungiftigen Materialien gewichtet, und vor allem findet man keine stacheligen Kabelbinder«. Ja Gott sei Dank, denkt man gerade, andere Babys sind ja doch eher stachelig, gut dass ich jetzt Sophie kaufen kann. Da geht es auch schon weiter mit Sophies Werkstattbericht: »Jedes Fältchen an mir wurde einzeln betont. Zarte Augenbrauen wurden mir gegeben. Meine Nase wurde geöffnet und hinterlegt, sodass ich jetzt gut Luft bekomme. Die zarte Befeuchtung von Augen, Mund und Nase lassen mich noch echter wirken.«
Im Weiteren berichtet Sophie von ihrem Friseurbesuch, bei dem ihr die dünnen Flaumhärchen »im Micro-Rooting-Verfahren« einzeln eingepflanzt und anschließend natürlich von innen versiegelt wurden. Sophie schwärmt von ihren »hochwertigen dunkelblauen Lauschaer Glasaugen«, zu denen sie die »passenden Wimpern dazugerootet« bekommen hat.
Man liest das, schaut sich die Bilder dieser tatsächlich verblüffend lebensecht wirkenden Puppen an und denkt: Uh, tote Babys! Ist das gruselig! Ja, das ist es. Gruselig und irre. Aber es ist auch ein Hinweis darauf, was die globale Konsumgemeinschaft für Menschen bereithält, für die Kinderhaben zur Pflicht geworden ist. Ein Haus, ein Auto. Und ein Kind, dem man Gefühle entgegenbringen kann, das sie aber selbst nicht erwidert. Ein Kind, das nur wie eins aussehen muss und ansonsten nicht weiter stört. Und das ewig hilflos und klein bleibt, ohne Trotzphase und Pubertät, das man also niemals in die Welt entlassen muss.
Christina jedenfalls ist gerne mit ihrem Hund Peter allein, und bevor sie sich ein gruseliges Reborn zulegt, da läuft sie doch lieber mit einem leeren Kinderwagen durch den Prenzlauer Berg. Sagt sie und klettert über ein umgefallenes Laufrad im Hauseingang.
Olga und Anton oder
Wenn das Kind besonders ist
Wir sind in der Mittagszeit verabredet. Olga und Anton kommen vom Arzt, jetzt müsste der Kleine schlafen. Macht er aber nicht. Erst einmal beißt er mir kräftig in die Wange, dann protestiert er erfolgreich gegen das Hinlegen. Nun sitzt Anton neben uns in seinem Hochstuhl und hört seiner Mama zu.
Es ist ja so. Die Mütter hier in Deutschland, die würden ja nicht mal auf ihre eigene Mutter hören! Die sind so selbstbewusst, dass schon der kleinste Hinweis sie kränkt. Wenn es zum Beispiel kühl ist und ihr kleiner Junge eigentlich eine Mütze bräuchte, dann sag ich schon mal was. Dann gucken die aber zurück, dass mir angst und bange wird: Misch dich nicht ein!, blitzen ihre Augen. So ist das im Prenzlauer Berg, das musste ich erst lernen.
Bei Anton ist das was ganz anderes, den finden sie gut. Anton hat das Down-Syndrom. Er wird nun bald zwei, lacht ganz viel, sitzt schon gut mit Unterstützung, und irgendwann kann er bestimmt auch laufen. Alle Downies lernen das. Wenn die anderen Mütter hier im Prenzlauer Berg merken, dass Anton ein besonderes Kind ist, reagieren sie interessiert und höflich. Klar, das ist ja auch cool, mal Verständnis zeigen zu können, verstehst du? Das fühlt sich für sie gut an, wenn sie sehen: Diese Mutter hat ein behindertes Kind, und ich zeige jetzt mal ganz offensiv, wie locker und tolerant ich damit umgehe. Ich will diese Haltung nicht allen unterstellen, doch leider ist solch eine unehrliche Freundlichkeit keine Seltenheit.
Das können Frauen wunderbar: in die Kinderwagen reinlinsen. Ich sehe ja ihre Reaktionen: Erst gucken sie mich an, dann schauen sie in den Wagen, dann sehen sie Antons Gesicht, seine Mandelaugen. Und schließlich gucken sie wie zur Überprüfung noch mal zu mir. Ich sag dann: »Mein Kind hat das Down-Syndrom«, und da werden sie immer besonders nett.
Anders ist das oftmals mit den Älteren. Ich sitze zum Beispiel auf einer Parkbank in der Sonne, neben mir den Kinderwagen, Anton schläft. Dann setzen sie sich dazu und sprechen mich an: »Na, was ist es denn, wie alt ist er denn, schönes Wetter heute« – so etwas in der Art. Und dann meldet sich Anton aus dem Wagen und stößt sein kleines Brüllen aus, wie ich das immer nenne. Das klingt anders als das typische Babyquaken, ist eher so ein lustiges Röhren. »Was hat er denn?«, fragen dann die Alten ganz irritiert. Und ich sage: »Ach, ihm fehlt im Prinzip nichts, er hat nur das Down-Syndrom.« Damit können die gar nicht umgehen. Die wissen einfach nicht,
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