Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)
bezahlt, dass sie sich hier wie zu Hause fühlen können. Machen sie etwas mit den Kindern falsch? Nein, denn die Kinder kennen es nicht anders. Stören sie ihre Umgebung? Ja. Aber diese anderen – also Kinderlose wie zum Beispiel Sibylle und ich – sollen einfach die Klappe halten und weiteressen. Sonst burnt‘s!
C asual Friday oder
K omm, lass uns Spaß haben
E s ist gar nicht so leicht, Elternschaft und gelungene Freizeitgestaltung miteinander zu verbinden. Was das betrifft, weiß ich, wovon ich rede. Als die Kinder klein waren, beschränkte sich unser Ausgehverhalten darauf, die Oma oder eine Singlefreundin als Babysitter zu engagieren. Erstere, damit sie die Enkel in unserer Abwesenheit nach allen Regeln der Kunst verwöhnen konnte, und Letztere, um ihr mal einen Blick in ihre Zukunft als Mutter zu ermöglichen und ihr die Option zu eröffnen, sich rechtzeitig dagegen zu entscheiden.
Hatten wir die Wohnung verlassen – die Schreie der Kinder hallten uns noch durchs Treppenhaus hinterher –, wussten wir oft gar nicht recht, etwas miteinander anzufangen. So gefangen waren wir im täglichen Vierundzwanzig-Stunden-Kinder-Modus, dass der Draht zwischen uns, was Vergnügungen und Coolness angeht, auf Spinnwebdünne zerschlissen war. Was kann man schon machen mit ein paar Stunden gemeinsamer Zeit? Essen, Kino … danach noch einen Absacker trinken. Ein mittelmäßiges Angebot für ein Paar, das sowieso jeden Tag fünfmal in logistischen Angelegenheiten telefoniert und abends zwischen Esstisch, Badezimmer und Kinderbetten rotiert – also im Großen und Ganzen ständig miteinander zu tun hat – und bei dem es vor allem um ein Thema geht: die Kinder und deren Einpassung in unsere Bedürfnisse und Obliegenheiten als Werktätige.
Nun sollten wir uns also amüsieren. Ich weiß nicht, wie es anderen Paaren geht. Aber wir neigten bei derlei Gelegenheiten dazu, uns erst mal ausgiebig zu streiten. Wann kamen wir schon mal dazu? Also nutzten wir unsere drei, vier Stunden, die virulenten, im Alltagsstress unterdrückten Konflikte auszusprechen und ausgiebig zu diskutieren. Oft genug schafften wir es nicht mal bis zur Kinokasse, sondern verbrachten unsere Zeit lieber damit, durch die Straßen von Prenzlauer Berg, Mitte oder Kreuzberg zu ziehen, uns dabei in halblautem Ton anzuzischen und wechselseitig das Spiel Ich-bleib-jetzt-einfach-stehen-du-bist-so-gemein-zu-mir zu spielen. Völlig erschöpft kehrten wir gegen Mitternacht heim, wo der Babysitter nicht merken durfte, dass die Ausgeheltern alles andere als Spaß gehabt hatten.
Als die Kinder größer wurden, entspannte sich die Lage zusehends. Wir waren nun in der Lage, ganz und gar freiwillig auszugehen, Zeitlimits waren ein Schrecken der Vergangenheit. Heute amüsieren wir uns nach Strich und Faden und so lange wir wollen und erinnern uns ungern daran, was für ein spaßbremsendes Paar wir mal waren. Auch die Kinder nutzen ihre altersentsprechenden Freiheiten. Sie verabreden sich zum Chillen und sicher auch zu Alkohol- und Drogenexperimenten. Tagsüber herrscht am Wochenende Ruhe im Häuschen am Ende der verkehrsberuhigten Sackgasse – die Damen erholen sich von ihren nächtlichen Aktivitäten.
Dass es im Ausgehsegment inzwischen anders läuft, erzählt mir Freundin Gina. In der bilingualen Privatschule ihrer Tochter nämlich nehmen die Eltern das Paaramüsement ganz professionell in die eigenen Hände: Sie organisieren sich einen Tanzabend, und den nennen sie dann Parents Disco. Als Gina mir davon erzählte, wollte ich es erst nicht glauben. Reichen diesen Müttern und Vätern nicht die quälend langen Elternversammlungen, die sie miteinander verbringen müssen? Haben die keine anderen Freunde? Können die sich wirklich alle leiden? Und wäre es nicht angemessener, auf eigene Faust in einen Club zu gehen? Nein, sagt Gina und erzählt, dass der Wunsch nach einer eigenen Tanzveranstaltung entstanden ist, weil die Schüler der Mittelstufe schon eine Disco hatten. Zu Hause hatten die Kinder dann erzählt, das sei so ein toller Abend gewesen, dass ihre Eltern eine Art Regressionsschub erlitten und nun auch noch mal ganz, ganz jung sein wollen. Na, sagte ich, das will ich sehen.
Am Freitagabend um acht machen wir uns auf den Weg. Still liegt der Schulhof – aber da, ganz oben unterm Dach, sehen wir grün-orangefarbige Lichtkonvulsionen, und jetzt, ja, jetzt hören wir auch dumpfe Bässe. Hier sind wir richtig, hier geht’s ab. Am Eingang stehen Kalle und Harry,
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