Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)
Alma hatte eine Meinung. Und zwar? Na? »Magichniiiich!«, jaulte sie durch den Laden. Klar, hätte ich auch gesagt, wenn ich nach Hause zu meinen Bauklötzchen wollen würde. »Aber die sind doch hübsch«, intervenierte Almas Mama, »also ich mag die.« Worauf Alma ihr Urteil lautstark wiederholte. Und was tat Almas Mama? Sie zog die Schuhe aus, ging vor ihrer Tochter in die Hocke und sagte: »Na dann stellt sie die Mama wieder zurück.«
Ich überlegte kurz, entweder dieser sympathischen Frau in den Arm zu fallen oder sie in den Arm zu nehmen und sie zu drängen, sich jetzt diese verdammten Schuhe zu kaufen – schon um Alma zu zeigen, wie der Hase ab heute läuft. Aber ich spürte auch eine gewisse Grunderschöpfung, ein Hadern und Zagen bei ihr. Was ist angemessen in einer Beziehung zu einem Kleinkind? Wie viel Frustration verträgt Alma, wie viel Magichnicht ihre Mama? Heute war offenbar noch nicht der Tag, an dem das zwischen den beiden ausgekegelt würde.
Zurück zu Bruno. Der überlegt, an meine Knie gekrallt, immer noch, ob er Mangolassi nun mag oder nicht mag. So sehr beschäftigt ihn die Frage seiner Mutter, so lange muss er grübeln, dass er in einer körperlichen Übersprungshandlung entschlossen an meinem Tisch rüttelt. Es geschieht, was geschehen muss: Meine Wantan-Suppe folgt den Gesetzen der Physik und ergießt sich über seine kleinen Hände und anschließend über meine Knie. Großes Geschrei und Gerenne.
Der Kellner kommt mit Lappen und konfuzianischem Lächeln herbei, und auch Brunos Mama ist nun doch mal da. »Was soll denn das?«, blafft sie mich an, »das haben Sie doch absichtlich gemacht!« Ich schaue sie zweifelnd an und überlege kurz, ob ich ihr mal ausführlich meine Ansichten zum Themenkomplex Kleinkinder, Mangolassi und Magst-du-Fragen darlege. Bruno schreit und schreit – so heiß war die Suppe nun auch nicht mehr, denke ich. Aber die beiden haben es eh schon schwer genug. Brunos Mama, weil ihre geruhsame Sonntagsverabredung gerade den Bach runtergeht. Und Bruno, weil er immer noch vor der Frage steht, was er nun mögen soll. Dass ich mit meinen lustigen schwarzen Halbschuhen und der lebensbedrohlichen Suppe eindeutig nicht in diese Kategorie falle, das hat ihm seine Mutter ja gerade vermittelt.
E del-Eltern auf Reisen oder
D u musst machen, dass das burnt
U m mal was anderes zu sehen als immer nur ausgestellte Familienherrlichkeit oder pädagogische Willfährigkeit, fahre ich übers Wochenende mit Sibylle ins Grüne. Drei Tage Auszeit vom Muttibezirk: Hotel, Spa, gute Küche, volles Programm. Für den Saunaruheraum habe ich mir »Mutter« von Rammstein auf den iPod geladen, ich will nachdenken über die Frage, warum Elternthemen eigentlich immer so durch die Decke gehen. Warum ich, wenn ich davon erzähle, was für ein Buch ich gerade schreibe, automatisch diese Reaktion bekomme: »Ha, schreib das alles auf! Die gehen mir ja so auf die Nerven.«
Frage ich dann genauer nach, kommt meist gar nicht so viel. Eher so allgemeines Gegrummel und Genörgel von Leuten mit Kindern, die sich von den Prenzlauer-Berg-Müttern nur insofern unterscheiden, als sie gerade mal vierhundert Meter weiter im benachbarten Stadtbezirk wohnen und deshalb meinen, etwas ganz anderes darzustellen als ihre gescholtenen Geschlechtsgenossinnen. Um ehrlich zu sein machen einige dieser Frauen, die mich anspornen, mal richtig auf ihren Mitmüttern rumzuhacken, auf mich den Eindruck, als würden sie mich in selbstverletzender Absicht um Schmähungen bitten. Wie kommt das bloß?
In der ländlichen Idylle angekommen, wandere ich mit Sibylle um den kleinen grünen See, der praktischerweise gleich neben dem Hotel ans Ufer schwappt. Wir reden darüber, woher diese stutenbissige Missgunst rührt und ob all diese Väter und Mütter in den Familienbezirken da möglicherweise etwas ins Werk setzen, was wir als Eltern einst so nicht hingekriegt haben: gute Planung, richtiges Familienleben, volle Aufmerksamkeit fürs Kind, Qualitätsbildung und -versorgung. Was ist daran eigentlich falsch, frage ich. »Klar habe ich meine Kinder auch lieb gehabt. Aber Liebe – gut und schön. Reicht die? Hätte ich sie doch mehr Richtung Spracherwerb und Reiten drücken sollen, statt sie nach dem Abendessen vor den Simpsons abzustellen?«
»Nichts gegen die Simpsons!«, mahnt Sibylle. »Ein bisschen ist es doch wirklich so gewesen, dass unsere Töchter mit uns fast schon nebenher groß geworden sind. Wir haben manchmal ganz schön
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