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Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)

Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)

Titel: Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Maier
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entspannt auf den Spielplätzen rumgesessen hat. Wie die sich das leisten können: sich um die Kinder kümmern, Zeit haben, gut zu leben. Er sieht ihre Autos, die groß sind und dunkel. Er hört sie von Tilgung und Abschreibung reden, und erst jetzt fällt ihm bei einigen der schwäbische, der fränkische, der Hamburger Akzent auf. Es ist die westdeutsche Erbengeneration, deren Eltern den Kindern rechtzeitig was Eigenes in Berlin gekauft haben und ihnen – wegen der Enkel – den zehn Jahre alten Audi vor die Tür gestellt haben. Die waren in solchen Dingen einfach schlauer und schneller, und vor allem finanziell besser gepolstert.
    Micha nimmt ihnen das nicht krumm, er ist kein Übelnehmer. Er ist nur traurig, weil er gehen muss. Er ist jetzt Ende vierzig, im Spätsommer kommt Paul in die Schule, eigentlich bräuchte der kleine Schulanfänger nichts mehr in dieser Zeit als sichere Verhältnisse. Eltern, die sich lieb haben, jemanden, der aufpasst, dass das Turnzeug eingepackt ist, der ihn tröstet, wenn er schon wieder nicht den Aufschwung beim großen A hinkriegt.
    Micha muss jetzt los, Clara und Paul vom Kindergarten abholen. Er wird ihre Schuhe zubinden, auf dem Spielplatz noch eine Runde das Karussell drehen, und dann werden sie gemeinsam nach Hause gehen, Abendbrotzeit. Seine Freundin und er werden sich anschweigen, und wenn Micha abends in sein Zimmer geht, wird er darüber nachdenken, wie das alles kommen konnte und was er eigentlich mitnehmen kann aus der Wohnung, wenn er rüber in den Wedding umzieht.

Die Grundschullehrerin oder
Ich bin Vollossi
    Ich bin mit der Lehrerin vor ihrem Haus verabredet. Allerbeste Prenzlauer-Berg-Lage, Mütter, Kinder, Touristen flanieren hier ins Wochenende, hinter dem Haus liegt der verwunschene Jüdische Friedhof. Als sie herauskommt, drückt sie fest meine Hand, wir sind gleich beim Du. Das hier ist ein stinknormaler Sozialbau, sagt sie. Wir gehen Kaffee trinken.
    Ich bin Vollossi. Wenn mich einer fragt, was bist du denn für eine – dann antworte ich: Vollossi. Das sagt doch alles, oder? Geboren bin ich in Brandenburg, aufgewachsen an der Ostsee, und hier im Prenzlauer Berg lebe ich seit bald dreißig Jahren. Aber jetzt will ich weg, jetzt will ich mich verändern. Denn irgendwie geht’s für mich hier nicht mehr weiter.
    Ich bin Grundschullehrerin, und zwar sehr gerne. Ich bin so eine für die ganz Kleinen, die liebe ich über alles, mit denen macht mir die Arbeit richtig Spaß. Einmal, das ist schon einige Jahre her, habe ich eine Klasse bis zur Sechsten begleitet, da bin ich am Schluss echt an meine Grenzen gestoßen. Die Kinder fangen dann schon an zu pubertieren, und ich hatte ihnen auch Stoff zu vermitteln, den musste ich mir selbst erst mal draufschaffen … Seitdem weiß ich das ganz genau: Ich bin eine für die Kleinsten.
    Seit zwölf Jahren arbeite ich an derselben Schule. Die hat einen sehr guten Ruf, die Eltern setzen Himmel und Hölle in Bewegung, um ihre Kinder bei uns unterzubringen. Wir liegen ja auch da, wo der Prenzlauer Berg am schönsten ist. Wo es die meisten Kinder gibt und mit ihnen die Eltern, die das Beste, nur das Beste für ihre Kinder wollen. Das kann ich ja auch gut verstehen, ich würde es nicht anders machen, würde auch wollen, dass mein Kind, mein Schatz, die beste Schule besucht.
    In meiner Klasse habe ich zweiundzwanzig Schüler, wir haben zusammen vor vier Jahren angefangen, gerade schreibe ich zu Hause die letzten Zeugnisse für sie. Das macht mich jetzt schon traurig, die hergeben zu müssen – wir hatten so eine wunderbare Zeit miteinander, haben unglaublich viel zusammen erlebt. Ach! Sie werden mir fehlen. Gleichzeitig ist das aber auch eine gute Gelegenheit, endlich etwas Neues zu probieren, mich noch mal zu verändern. Ich bin jetzt achtundvierzig, da wird’s Zeit, finde ich.
    Meine Söhne sind groß, einer ist schon ausgezogen, der andere ist sechzehn. Vor einem Jahr habe ich noch mal geheiratet – die Liebe meines Lebens. Kutte ist so ein toller Mann, endlich mal einer, der mich auch stützt, den ich nicht immer betuddeln muss, ich bin so froh, den getroffen zu haben. Erst jetzt merke ich, wie nach all den Jahren der Druck von mir abfällt, alles alleine hinkriegen zu müssen: die Söhne, die Arbeit, mein Glück. Und weil das so ist, haben Kutte und ich uns vorgenommen, unser neues gemeinsames Leben ein bisschen zu entschleunigen. Wegzugehen aus dem Prenzlauer Berg, vielleicht sogar weg aus Berlin, irgendwohin, wo es ruhiger

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