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Lasst eure Kinder in Ruhe

Lasst eure Kinder in Ruhe

Titel: Lasst eure Kinder in Ruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Bergmann
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Recht. Beides immer wieder durch Denken und Konstruieren und vieles Miteinander zu versöhnen, ist Bildung. Bildung in einem hochgradig modernen Sinn, wie sie sich staunenswert bereits vor mehr als 150 Jahren bei Fröbel ausformuliert findet.
    Solche Bildung als ein offener schöpferischer Prozess ist zwingend geboten, wo auf die Kinder eine soziale und persönliche Realität zukommt, die so zerrissen und unabsehbar ist wie die heutige. Wie schwer und hochkomplex
es ist, sie zu bewältigen! Wirkliche Exzellenzpädagogik – ja, das wäre eine exzellente Antwort auf die Herausforderung moderner Bildung. Aber danach kann man in den Förderkonzepten lange suchen. Sie kleben ja am traditionellen Lernen und dort findet sich nichts von solchen Kompetenzen. Wenn aber unsere Kinder stets gelenkt und angeleitet, bevormundet werden, dann suchen sie schließlich sogar selber nach einer fixierten Autorität, die sie führt und bewertet und alles ein paarmal wiederholen lässt und was traditionelle Pädagogik sonst so an geistig hemmenden Prozessen im Schilde führt.
     
    Aber nun noch etwas. Das muss ein Kind noch obendrauf erkennen und seelisch aufnehmen:
    Kinder spüren schon ganz früh – wenn sie es auch nicht ganz begreifen: Wenn ich mit meinen Gefühlen nicht beantwortet würde, wenn andere Menschen, meine Eltern, die Freunde und all die anderen gar nicht auf mich reagieren würden, dann wäre ich ja ganz verloren. Dann bliebe ich seelisch ganz trostlos zurück. Was wird dann aus mir?
    Aus der Ahnung erwächst ein Wille nach Gemeinschaftlichkeit. Ich bin nicht nur Ich, sondern auch die Gemeinsamkeit von Du und Ich und Wir und Ich – wo ein Kind dies erfasst hat (und ist das nicht unendlich schwierig?), hat es die Grundlagen der Moral und der Ethik erfasst. Wenn ich die anderen vernachlässige, wenn ich sie abweise, dann weise ich auch mich selber ab. Kein Kind will das.

    Aus solcher Erkenntnis, sagt Kant, entsteht das Verlangen, das tierhafte Wesen in uns zu unterbinden und das soziale Wesen mit einfühlender Moral stark zu machen. Was mir nicht geschehen soll, das soll auch anderen nicht geschehen – das ist die Basis des schlichten und ganz zu Recht über zwei Jahrhunderte berühmten kantschen Satzes, seinem sogenannten kategorischen Imperativ: Tue keinem, was dir selber nicht zustoßen sollte.
    Nichts daran ist simpel. Nichts daran ist nicht großartig.
    Wie die gesamtgesellschaftliche Zukunft aussehen wird, das lässt sich oft aus der gegenwärtigen Verfassung von Kindheit entziffern. In jedem Reifungsprozess jedes Kindes schimmert die gesellschaftliche Zukunft auf. Was in der frühkindlichen Erziehung geschieht, zeigt bereits die künftigen Lebensbedingungen einer auf das soziale Miteinander angewiesenen Gesellschaftskultur.
    So verstand Kant die Aufklärung, mehr im allgemein kulturellen gesellschaftlichen Maßstab, und so tat es Fröbel ihm nach, mehr auf die einzelnen Bildungsprozesse einzelner Kinder bezogen.
    Halt, ist das nicht ein wenig übertrieben? Schwierigste existenzielle Fragen, komplexe Bildung, bei kleinen Kindern!? Aber nein, schauen wir doch nur hin. Ihr eindringliches Fragen in einer ruhigen Stunde oder bei einem abendlichen Waldspaziergang – sie berühren all die großen Menschheitsthemen, für die auch unsere Philosophen nach Antwort suchen. Bekanntlich sind gerade die Kleinsten manchmal die ausgefuchstesten Denker.

    Aus jedem Lernen, das den Namen »Bildung« beanspruchen will, muss sich immer groß die Idee der menschlichen Verantwortung erheben. Ethik und kreatives Handeln und Wissen, sie dürfen nicht zerrissen werden. Sie gehören denselben menschlichen Entwicklungslinien an. Das gilt auch für Dreijährige, Vierjährige.
    Und wenn sie nun auf die »Überholspur« des rivalisierenden Lernens geschoben werden? Was wird dann aus den komplexen Reifungsprozessen? Sie vertrocknen, sie liegen darnieder.
    An die Stelle der sozialen Vernunft und der Moral rücken dann lähmende Wettbewerbs- und Angstgefühle. Zerstörerischer kann ein Entwicklungsprozess gar nicht behindert werden.
    Und nun schauen wir auf unsere »Exzellenzpädagogen«. Von sozialer Moral finden wir so gut wie nichts, allenfalls ein paar Sätze im tatsächlich oder gedanklich Kleingedruckten. Stattdessen aber viel über gekonntes Rivalisieren, darüber, wie man »auf der Überholspur« andere Kinder hinter sich lässt, viel über Wettkampf und Triumph (und wer trocknet die Tränen der Zurückgebliebenen?). Alles ist von der

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