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Lasst eure Kinder in Ruhe

Lasst eure Kinder in Ruhe

Titel: Lasst eure Kinder in Ruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Bergmann
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formalistischen Förderlernen ist?

    Liebe statt Leistungsdruck
    WAS BEDRÄNGT UNS DA SO, warum dieser Speedy-Reiz ausgerechnet in Bildung und Welterfahrung, wo jeder Student schon im ersten Semester lernt: Bildung heißt auch immer: Zeit verlieren. Zeit müßig aufgeben und sich der Vielheit der Dinge zuwenden. Einstein schwor darauf – kein Wunder, seine Relativitätstheorie fiel ihm in der Badewanne ein, als er sich wohlig von lauwarmem Wasser umspülen ließ. Bei den Philosophen der Antike finden wir Ähnliches, ach, und überhaupt, die ganze menschliche Geistesgeschichte zeigt uns solche gelassene und fruchtbare Lebenseinstellungen. Nur unsere Pädagogen wissen alles besser, bedrängen die Eltern – und die lassen sich bedrängen. Hier ein Überblick darüber, was uns alle da so treibt. Vielleicht können wir es ja abstellen.
    Unsere Kinder bereiten uns Sorgen. Zunächst einmal, weil es viel zu wenige sind, und diese wenigen scheinen unter einem fortwährenden Druck zu stehen, den unsere soziale Kultur auf sie ausübt. Viel zu viele sind desinteressiert, auch an jedem Teilbereich von Bildung. Sie bewegen sich manchmal in einem fast autistischen Lebensentwurf, in dem sich alles nur um sie selber dreht, bis dieses »Selber« immer leerer wird und die Kinder verdrossener und traurig werden bis an die Grenze der Depression.
    Sie können sich nur schwerlich aufraffen zu diesem oder jenem, dabei wird ihr Leben immer dürrer, leerer.
Ihre Egozentrik verleitet sie zu oft unmotiviert erscheinenden Wutausbrüchen. Solche manchmal massiven Konflikte gibt es in den Familien in hoher Anzahl, die man nur schätzen kann (die aber nach meiner Erfahrung alle vermuteten Zahlen übersteigt) – sie treiben ihre Familien wieder und wieder in Krisen.
    So sind sie nicht alle, nein, natürlich nicht. Aber sie kommen in die Grenzbezirke der Erschöpfung ohne erkennbaren Anlass, sind missmutig, obwohl alles oder fast alles da ist und direkt vor ihrer Nase liegt. Was ist es wirklich, was ihnen fehlt?
    Wir werden diese Frage in diesem Buch beantworten. Ebenso, wie wir herausfinden werden, warum das typische Lernen in Fördereinrichtungen den allermeisten Kindern gar nichts nutzt, anderen schadet. Nein, unsere Kinder sind in viel zu großer Zahl nicht vergnügt und froh, wenn sie ihre jungen Sinne der Welt zuwenden, ihren Verstand auf Trab bringen mit jedem einzelnen Objekt in ihrer Umgebung, das ihnen in die Hände fällt. Sie haben den erfolgreichen und stimulierenden Umgang damit noch nicht gelernt. Das muss sich ändern, rasch!
    Dieses insgesamt wenig bestechende Bild wird umrahmt von wachsenden Ansprüchen an eben dieselben schwierigen Kinder: Mehr messbare Leistung in kürzerer Zeit sollen sie erbringen, schnellere Anpassung an immer neue Situationen, sie sollen den Anforderungen einer informationellen Kultur nachkommen – angesichts ihrer Lebensverfassung ergibt sich eine fatale Situation. Der Zwang, der von der sozialen Kultur ausgeht, wird enger und dichter, damit wird im Selbstgefühl der Kinder
das eigene Scheitern im Vorweg schon immer wahrscheinlicher – sie ducken sich, diese Kinder, versuchen den Ansprüchen auszuweichen und wissen nicht, wohin.
    Mal intensiver, mal moderat gibt es in fast allen Familien über die ersten 20 Lebensjahre hinweg ein intensives Konfliktpotenzial. Viele Eltern werden dabei bis an die Grenze der Erschöpfung getrieben und darüber hinaus.
    Unsere Fehler von heute münden in eine hochgradig konfliktanfällige Gesellschaft von morgen. Psychiatrische Diagnosen stehen uns dafür in reicher Zahl zur Verfügung, aber sie sagen ganz wenig über Beschaffenheit und Vorgeschichte dieser Konflikte aus. Sie helfen nicht wirklich.
    Und was ist mit unseren Einrichtungen und den zahllosen methodischen Bildungsprogrammen schon für die Kleinsten? Hier soll ja eigentlich in den ersten sechs Lebensjahren Lebensmut geschöpft und kindliche Kreativität, Lebensfreude und »Schaffenskraft« hervorgelockt werden. Aber das geschieht nicht oder kaum. Warum?
    Wir haben die falschen Erziehungskonzepte. Wenn es um frühe kindliche Bildung geht, ganz besonders.
    Diese Bildungskonzepte mit hundert attraktiven elektronischen Präsentationen, die heute fast jeder Kindergarten mitbringt, sind in den meisten Verbänden, Trägern und besonders den privaten Fördereinrichtungen designt nach schnittigen Vorbildern aus der Werbung. Das ergibt oft eine formale Attraktivität, beispielsweise in den Flyern, die solche Einrichtungen

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