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Lasst Kinder wieder Kinder sein - Winterhoff, M: Lasst Kinder wieder Kinder sein

Titel: Lasst Kinder wieder Kinder sein - Winterhoff, M: Lasst Kinder wieder Kinder sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Winterhoff
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Die globale Temperatur träte den Sinkflug an, ein bis zwei Grad weniger, und es käme im Sommer zu Schneeschauern, war dort zu lesen. Außerdem, so ließ sich ein bekannter Reiseunternehmer zitieren, wäre dieses Szenario der Tod für sämtliche Fluglinien.
    Das mag für sich genommen eher absurd und belustigend wirken, andere Medien stellten jedoch ähnliche Prognosen und schürten damit die diffuse Panik vor den katastrophalen Auswirkungen des fernen Naturschauspiels. Nicht auszuschließen, dass zum Erscheinungszeitpunkt dieses Buches gerade eine andere, ähnlich gelagerte Nachricht die Schlagzeilen dominiert, von isländischen Vulkanen zumindest redet schon lange keiner mehr.
    Erkennbar an diesem Beispiel ist bereits, dass es weniger um die inhaltliche »Qualität« der Katastrophennachricht
geht als um deren massenhafte Verbreitung auf allen zur Verfügung stehenden Kanälen. Es ist im Grunde wie bei einem Gerücht. Je größer dessen Verbreitung, desto höher wird sein vermeintlicher Wahrheitsgehalt angesetzt. Mit Gerüchten, die einen negativen Beigeschmack haben, funktioniert das besonders gut:
    »Schuld daran, dass Klatsch so gut hängen bleibt, ist nicht zuletzt die Funktionsweise des menschlichen Gehirns. Wir ergänzen bruchstückhafte Wahrnehmungen stets zu einem sinnvollen Gesamtbild und erinnern uns besonders gut an negative Botschaften. So erhöht die Einführung eines negativen Elements in einen Satz in jedem Fall den Informationswert der Botschaft – und damit auch die Chancen, weitergeklatscht zu werden.« 20
    Das ist im Grunde eine Umschreibung für die alte journalistische Weisheit »only bad news are good news«. Die negative Information brennt sich ein in die Psyche, wird abgespeichert und wirkt dort weiter. Erhöht man nun die Frequenz, mit der solche üblen Nachrichten auf die Psyche losgelassen werden, ist leicht vorstellbar, dass die Sortierfunktion des Gehirns in wichtige und unwichtige Informationen irgendwann an ihre Grenzen gelangt.
    Die Kommunikationstrainerin Bianca Schwacke schreibt dazu in ihrem Blog:
    Lieber zehn schlechte als eine fröhliche Nachricht verkünden und lesen. Ein Trend, der Einzug hält. Informationen, die täglich über die Zeitungen, durch die Radios oder über die Fernseher flimmern. Ob eine Explosion fünf Menschen in den Tod gerissen hat, ein 18-Jähriger durch sinnlose Raserei einen Ehemann und Vater tödlich verletzt hat oder die Parteien ihren Unsinn verbreiten und das Volk veralbern. Die Mitbürger sitzen, ohne dass sie es wollen, in einem permanenten Tiefdruckgebiet der Schlagzeilen mit schwarzen Wolken, die niemals aufzureißen scheinen. 21
    Besonders fatal ist dies, weil Informationsvermittlung in modernen Medien immer stärker mit visuellen Elementen arbeitet. Egal, ob Fotos in Zeitschriften und Zeitungen, TV-Berichte oder Videos auf Webseiten, die Macht des Bildes bindet den Leser, Zuschauer und User an das jeweilige Medium und trägt damit letztlich auch zur Wirkung der negativen Beschallung entscheidend bei.
    Abtprimas Notker Wolf, mit dem ich vor einiger Zeit ein langes und interessantes Gespräch führte, erwähnte diesen Zusammenhang ebenfalls, als er berichtete, dass er schon seit Jahren kaum noch vor dem Fernseher sitze. Neben dem Zeitfaktor nannte er als wesentlichen Grund die Macht der Bilder, die in seiner Vorstellung Dinge auslösten, die er als unangenehm empfand.
    »Die Bilder zerschlagen mir die Information, nach geschauten Nachrichten weiß ich kaum noch, um was es eigentlich ging,
weil mich die Bilder überwältigt haben. Eine Überschwemmung etwa kann ich mir durchaus vorstellen, wenn ich davon lese oder im Radio höre. Ich muss das nicht noch aus nächster Nähe sehen.« 22
    Notker Wolf verweist mit diesen Einlassungen auf das Traumatisierungspotenzial solcher Bilder. Wer davon nur liest oder hört, macht sich eine eigene Vorstellung vom Ausmaß der Schäden. Diese Vorstellung wird aus einem Schutzmechanismus der Psyche heraus eher keine hoffnungslosen Bilder produzieren. Die Bilder im Fernsehen jedoch nehmen jede Vorstellung vom Ausmaß des Geschehens vorweg, sie diktieren die Vorstellung, die der Zuschauer sich zu machen hat, und lassen keinen Raum für Schutzmechanismen der Phantasie.
    Was passiert: Entscheidend ist der Moment, in dem Bilder mit Emotionalität gekoppelt werden. Die journalistisch aufbereitete Information allein mag bereits negativen Inhalt haben, ihre Wirkung auf den Rezipienten wird jedoch deutlich erhöht, wenn

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