Lasst Kinder wieder Kinder sein - Winterhoff, M: Lasst Kinder wieder Kinder sein
perfekten Alleskönner, den es so nie geben kann, liegt nah, das Dumme ist nur: Lauterbach meint das ernst. Und bestätigt damit parteiübergreifend die Haltung der Kanzlerin, über die es einige Absätze später heißt, sie finde nicht, dass das [die Entschleunigung des politischen Handelns, im konkreten Fall bezogen auf den Vorschlag, einfach seltener aufs Handy zu schauen] gehe. Angst, etwas Wichtiges zu verpassen, nennt sie als Grund, die Notwendigkeit, ständig reagieren zu können. Dann spricht sie von »kurzfristigen Ausschlägen in der Politik«, die »immer drastischer, immer verrückter« würden. Auch hier scheint also ständig eine neue Katastrophe zu drohen, jedenfalls erscheint es den Politikern so. Dass sie mit ihrem kräftigen Tritt ins Hamsterrad dazu beitragen, dass sich die Relationen ständig verschieben, kommt ihnen nicht in den Sinn. Ein Innehalten in der Politik könnte manchmal dafür sorgen, dass ein Sachverhalt tatsächlich durchdrungen und sinnvoll behandelt werden würde. Stattdessen hetzt die Politik von einem »Ausschlag« zum nächsten und ist vor allem daran interessiert, so zu tun, als ob sie etwas täte.
Nachrichten eines ganz normalen Tages – Sammlung aus verschiedenen Medien
Schütteln Sie auch manchmal schon morgens den Kopf, welchen Unsinn Sie zu hören bekommen?
»Das Wetter ist eine Katastrophe. Es lohnt sich heute überhaupt nicht, aufzustehen.«
(Moderationseinstieg eines Radiomoderators)
»In Deutschland drohen schon bald leere Schuhregale. ›Es gibt Lieferschwierigkeiten, vor allem in Asien‹, berichtet Manfred Junkert, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Schuhindustrie. Während der Krise seien in wichtigen Produktionsländern (...) die Kapazitäten stark heruntergefahren worden. ›Und nun klappt das Wiederaufstocken nicht schnell genug‹, sagt Junkert. (...) Wegen gestiegener Lederpreise und höheren Arbeitskosten droht ein Preisplus von etwa fünf Prozent.« 26
Aber es bleibt nicht beim Kopfschütteln: Die Penetration medial vermittelter Katastrophen ist nicht mehr zu überhören und zu übersehen.
Um sich wirklich klarzumachen, welcher enormen Frequenz von Negativnachrichten wir mittlerweile ausgesetzt sind, habe ich einmal, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, über den Zeitraum nur eines einzigen Tages versucht, Schlagzeilen unterschiedlicher Medien zusammenzustellen. Bestimmte
Themen tauchen dabei mehrfach auf, andere nur einmal, je nach echter oder scheinbarer Bedeutung für die Allgemeinheit.
Unruhen in Bangkok – Thailands Selbstzerstörung
TV-Appell an Entführer von Bankiersgattin – »Bitte, bitte, bitte!«
Regierung: Sparvorschläge – Schäubles Giftliste – wer alles sparen soll
Die Kanzlerin in der Krise – Baldrian fürs Volk
Versenktes Kriegsschiff – Nordkorea droht mit Krieg
Krise in Thailand – Militär kreist Zufluchtsort ein
Lebensmittel – Europaparlament stoppt Fleischkleister
RTL und Pro Sieben Sat1 – Verdacht auf unerlaubte Absprachen
Nach Entführung im Jemen – Kinder kommen nach Hause
Unruhen in Thailand – »Wir werden wieder kämpfen«
Irans Bluff im Nuklearstreit – Im Marionettentheater
Snooker: Manipulation – Falscher Akzent
Gerichtsurteil – Scientologin bleibt Tagesmutter
Riskante Geschäfte mit Ramschanleihen – Razzia bei der BayernLB
Deutscher Gewerkschaftsbund – Der Feind zahlt gut
Globale Temperatur – Weltrekord im April
Kloster Ettal – Mönch zu Bewährungsstrafe verurteilt
Knappe Dividenden – Karge Zeiten für Aktionäre
Bashing gegen Boateng – Revanchefoul im Internet
Pakistan – Karikaturen-Streit um Facebook
Commerzbank – Aktionäre meutern gegen Blessing
Schnell noch tanken – Benzin wird zu Pfingsten teurer
Oberflächentemperatur steigt an – Ozeane heizen sich auf
Nuss - oder Lachsschinken? – Täuschung mit »Klebe-Schinken«
Uefa-Ermittlungen – Ungarischer Meister unter Manipulationsverdacht 27
Natürlich bekommt nicht jeder all diese Meldungen jeden Tag auf einmal mit, entkommen können wir jedoch insgesamt kaum.
Wir sind nämlich bereits mit Stress überhäuft, bevor wir auch nur einen Handschlag an unserem Arbeitsplatz getan haben, anders gesagt: eigentlich bevor überhaupt die Möglichkeit besteht, dass echter Stress aufkommen kann.
In diesem Beispiel geht es um einen guten Bekannten, der mir seine
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