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Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan

Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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anrufen?
    Meine Hand lag bereits auf dem Hörer, als die Tür aufging. Jocelyns Gesicht sah gespenstisch aus. Sie war ganz in Schwarz gekleidet, und der blasse ovale Kopf schien zu schweben, eine körperlose Halloween-Laterne mit dunklen Löchern als Mund und Augen.
    »Oui?«
    Ich stand auf, weil ich nicht wollte, dass sie auf mich herabsah.
    Sie antwortete nicht.
    »Puis-je vous aider?«, fragte ich. Kann ich Ihnen helfen?
    Sie sagte immer noch nichts.
    »Bitte schalten Sie das Licht an, Jocelyn.«
    Der Befehl schaffte, was meine Fragen nicht erreicht hatten; sie reagierte. Ihr Arm hob sich, und das Büro war plötzlich in Helligkeit getaucht.
    »Was ist los, Jocelyn?«
    »Sie lassen sie einfach davonkommen.« Ihre Stimme war hart vor Wut.
    »Wen?«, fragte ich verwirrt.
    »Ich dachte, dass Sie vielleicht anders sind.«
    »Anders als wer?«
    »Denen ist das doch alles scheißegal. Ich höre, wie Bullen Witze darüber reißen. Ich höre sie lachen. Noch ein toter Biker. Gut, dass er weg ist, sagen sie. Das ist billige Müllentsorgung.«
    »Von was reden Sie denn?« Mein Mund war trocken.
    »Dabei sind doch diese Bullen ein Witz. Carcajou. Pfft.« Sie blies durch die Lippen. »Blödmänner würde eher passen.«
    Ich war verblüfft von dem Hass in ihren Augen.
    »Sagen Sie mir, warum Sie so empört sind.«
    Ein langes Schweigen entstand, während sie mein Gesicht musterte. Ihr Blick schien zu fokussieren und dann wieder zu verschwimmen, als wollte sie mein Bild in sich aufnehmen, um es in einer mentalen Gleichung zu testen.
    »Er hat nicht verdient, was er bekommen hat. Verdammte Scheiße, das hat er echt nicht.« Die Obszönitäten klangen auf Französisch merkwürdig.
    Leise sagte ich: »Wenn Sie mir nicht erklären, was Sie meinen, kann ich Ihnen nicht helfen.«
    Sie zögerte, als würde sie mich einer letzten Prüfung unterziehen, und dann stachen ihre wütenden Augen in die meinen.
    »George Dorsey hat diesen alten Mann nicht umgebracht.«
    »Cherokee Desjardins?«
    Sie antwortete mit einem Achselzucken.
    »Woher wissen Sie das?«
    Sie runzelte die Stirn, als müsste sie erst entscheiden, ob diese Frage eine Falle war.
    »Jeder mit dem IQ eines Selleries würde das wissen.«
    »Das ist nicht sehr überzeugend.«
    »Ein echter Mechaniker hätte das richtig gemacht.«
    »Was soll das hei –«
    Sie schnitt mir das Wort ab. »Wollen Sie hören, was ich zu sagen habe, oder nicht?«
    Ich wartete.
    »Ich war in dieser Nacht dort.«
    Sie schluckte.
    »Ich war kaum durch die Tür, als dieser Kerl auftauchte, und ich bin deshalb ins Schlafzimmer gegangen. Er und Cherokee fingen an zu reden, zuerst freundlich, aber ziemlich bald hörte ich Schreien und dann Klatschen und Schlagen. Ich wusste, dass es Zoff gab, und habe mich deshalb im Schrank versteckt.«
    »Warum waren Sie dort, Jocelyn?«
    »Cherokee wollte mich bei den Rotariern unterbringen«, höhnte sie.
    »Erzählen Sie weiter.«
    »Ich hockte da im Schrank, bis es draußen ruhiger wurde, und als ich dachte, der Kerl ist verschwunden, kroch ich wieder heraus. In diesem Augenblick hörte ich den Schuss. Mein Gott.«
    Ihr Blick wanderte von meinem Gesicht zu einem Punkt irgendwo hinter meiner Schulter. Ich versuchte mir vorzustellen, was diese Erinnerung in ihr auslöste.
    »Dann hörte ich, wie der Kerl Schubladen aufriss und Sachen durch die Gegend warf. Ich dachte, er ist ein Junkie auf der Suche nach Cherokees Stoff, und ich hätte mir beinah in die Hose gemacht, weil ich wusste, dass der Stoff bei mir im Schlafzimmer war.
    Als ich dann Rauch roch, war es Zeit abzuhauen, ob da draußen ein Junkie war oder nicht. Ich schlug das Fenster ein, sprang auf die Gasse und rannte bis zur Ecke. Und jetzt kommt das Allerkomischste. Als ich um den Block herumkam und die Straße hinunterschaute, war der kleine Scheißer noch vor Cherokees Bude und wühlte im Schlamm. Dann kam ein Auto und er verschwand.«
    »Wonach suchte er?«
    »Woher zum Teufel soll ich denn das wissen?«
    »Und dann?«
    »Als ich sicher war, dass er nicht mehr zurückkam, ging ich hin und suchte ebenfalls herum.«
    Wieder entstand ein langes Schweigen. Dann nahm sie ihre Handtasche von der Schulter, wühlte darin herum und zog einen kleinen, flachen Gegenstand heraus.
    »Das da habe ich dort gefunden, wo der Kerl kauerte.« Sie hielt mir den Gegenstand hm.
    Ich faltete eine Apothekentüte auf und zog ein Foto in einem billigen Plastikrahmen heraus. Zwei Männer lächelten durch einen Nebel aus

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