Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan
aber das wäre noch unhöflicher gewesen.
»Hatten Sie mit der Entdeckung zu tun, von der ich heute in der Zeitung gelesen habe?«
»Ja. Aber wie Isabelle weiß« – ich lächelte eisig in ihre Richtung – »kann ich nicht –«
»Was hast du mit Bikern zu tun, Tante Tempe?«
Kits Interesse war während der Vorlesung über Möbeldesign etwas abgewandert, aber bei dem neuen Thema horchte er sofort auf.
»Du weißt, dass ich für das gerichtsmedizinische Institut der Provinz arbeite?«
Er nickte.
»Letzte Woche bat mich der Direktor, ich solle mir ein paar Mordfälle anschauen.« Von meiner Rolle in der Opération Carcajou sagte ich nichts.
»Wie viele?«
»Einige.«
»Mehr als die Bee Gees?« Er ließ nicht locker.
»Fünf.«
»Fünf Ermordete in einer Woche?« Kit riss die Augen auf. Alle anderen am Tisch waren stumm geworden.
»Zwei davon wurden schon 1987 umgebracht. Wir haben nur die Leichen erst diese Woche gefunden.«
»Davon habe ich gelesen«, sagte Claude-Henri und zeigte mit seiner Gabel auf mich. »C’est ça. Das waren Sie auf dem Foto.«
»Wer waren die anderen?«, fragte Kit weiter.
Jetzt war es mein Neffe, den ich am liebsten erwürgt hätte.
»Zwei waren Bombenopfer. Eins war ein kleines Mädchen, das bei einem Attentat aus einem fahrenden Auto heraus zufällig erschossen wurde.«
»Mon Dieu«, sagte Marie-Claire, die vor Schreck vergaß, Englisch zu sprechen.
Ich griff nach meinem Perrier und wünschte mir verzweifelt, ich hätte ihr aufmerksamer zugehört, sodass ich jetzt mit einer Frage über Renaissance-Intarsien kontern könnte.
»Zählen Sie auch die junge Frau mit, deren Knochen in St.-Basile-le-Grand gefunden wurden?«
Ich wandte mich Crease zu. Er hatte die Frage eher beiläufig gestellt, aber in seinen Augen lag ein Funkeln, das ich zuvor noch nicht bemerkt hatte. Wenn er sich Hoffnung auf eine Story machte, würde ich ihm die nicht erfüllen.
»Nein.«
»Haben Sie sie schon identifiziert?« Er griff nach seinem Wein.
»Nein.«
»Von wem redet ihr?«, fragte Kit.
»Neben dem Grab von zwei Bikern wurden auch noch einige andere Knochen gefunden. Es ist eine junge Frau, aber wir wissen nicht, wer sie ist oder ob sie mit den Vipers zu tun hatte. Sie könnte schon dort begraben worden sein, bevor die Bande das Grundstück kaufte.«
»Glauben Sie das?« Crease.
»Ich weiß es nicht.«
»Wer sind die Vipers?«
Meine Achtung vor Kits gesellschaftlichen Fähigkeiten schwand rapide.
»Ein Handlangerclub für die Hells Angels.«
»Das gibt’s doch gar nicht!«
»Doch, gibt es schon. Und sie und ihre Waffenbrüder sind verantwortlich für fast einhundertzwanzig Morde in dieser Provinz in den letzten fünf Jahren. Wer weiß, wie viele andere einfach verschwunden sind.«
»Die Biker bringen sich gegenseitig um?«
»Ja. Es ist ein Machtkampf um die Kontrolle des Drogenhandels.«
»Warum lässt man sie nicht einfach?«, fragte der Schauspieler. »Und betrachtet es als Form der Selbstregulation unter Soziopathen.«
»Weil Unschuldige wie Emily Anne Toussaint, die erst neun Jahre alt war, dabei zu Tode kommen.«
»Und vielleicht dieses andere Mädchen?«
»Vielleicht, Kit.«
»Glauben Sie, dass Sie das beweisen können?« Crease.
»Ich weiß es nicht. Claude-Henri, bitte erzählen Sie uns von Ihrem Film.«
Während der Produzent redete, nahm Crease den Chardonnay zur Hand und griff nach meinem Glas. Als ich meine Hand darüber legte, lachte er, hob sie weg und füllte das Glas.
Wütend zog ich meine Hand weg und lehnte mich zurück. Ich kann Leute nicht ausstehen, die anderen Alkohol aufdrängen, obwohl diese nicht wollen.
Die Stimme meines Neffen brachte mich zur Unterhaltung zurück. Isabelle hatte ihre Aufmerksamkeit Kit zugewandt.
»Ja, ich war mit meinem Daddy unterwegs. Er ist im Ölgeschäft. Wir sind mit einem großen alten Winnebago von Texas hochgefahren. War seine Idee. Er wollte unbedingt, dass wir gemeinsam was unternehmen.
Wir sind hier vorbeigefahren, um Tantes Katze abzuliefern, dann nach Osten und bei Derby Line nach Vermont hinein. Daddy hatte diesen Trip besser geplant als die Invasion der Normandie. Deshalb erinnere ich mich an all die Namen.
Auf jeden Fall haben wir in der Nähe einer Stadt namens Westmore kampiert und im Willoughby River Lachse gefischt. Es sind reine Süßwasserlachse, und wenn die im Frühjahr auf Wanderschaft gehen, ist das eine große Sache. Ich glaube, für echte Angler ist das eine Art heiliger Ort.
Dann sind wir
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