Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan
ein paar Stunden hinhaue? Wir haben die Zelte abgebrochen, bevor die Sonne überhaupt ans Aufgehen dachte.«
»Schlaf, solange du willst. Und dann musst du mir von eurem Ausflug erzählen.« Und baden solltest du auch, dachte ich.
Ich legte Handtücher heraus und zeigte ihm das Gästezimmer. Dann zog ich mir Jeans und ein Sweatshirt an und ging zur Tankstelle an der Ecke, um mir eine Gazette zu kaufen. Als ich zurückkam, lagen die Handtücher auf dem Badezimmerboden, und die Tür zum Gästezimmer war geschlossen.
Ich ging in die Küche und schnupperte an Kits Tüte. Eindeutig Fisch. Ich steckte das Ganze in eine Plastiktüte und legte es in den Kühlschrank, wo es weiterer Anweisungen harren konnte. Dann machte ich Kaffee und setzte mich mit der Zeitung an den Esszimmertisch.
Von da an lief das Wochenende verkehrt.
Blutzoll erreicht 120:
Leichen von zwei weiteren Bikern identifiziert.
Der Artikel stand auf der dritten Seite. Ein gewisses Maß an Berichterstattung hatte ich erwartet. Was ich nicht erwartet hatte, war das Foto. Das Bild war körnig und aus der Entfernung mit einem starken Teleobjektiv aufgenommen, aber die Dargestellte war erkennbar.
Ich kniete mit einem Schädel in der Hand neben einem Grab. Wie gewöhnlich identifizierte mich die Bildunterschrift als »… eine amerikanische forensische Anthropologin, die für das Laboratoire de Sciences Judiciaires et de Médecine Légale arbeitet«.
Das Foto war so unscharf, dass ich mir nicht sicher war, ob es auf dem Clubgelände der Vipers aufgenommen worden oder ein Archivfoto von einer anderen Ausgrabungsstätte war. Mein Aussehen und meine Ausrüstung unterscheiden sich von einer Ausgrabung zur anderen nur wenig, und in der Aufnahme war nichts zu erkennen, das auf einen spezifischen Ort hingedeutet hätte.
Der Artikel wurde begleitet von drei weiteren Bildern: die üblichen Polizeifotos der Opfer und eine Aufnahme des Eingangs zum Clubhaus der Vipers. Er beschrieb die Exhumierung von Gately und Martineau und erzählte die Geschichte ihres Verschwindens. Dann gab es eine kurze Rekapitulation des Biker-Kriegs und eine Erklärung für die revidierte Opferzahl.
Okay. Diese Fakten konnten durchaus aus einer offiziellen Verlautbarung stammen. Doch was folgte, schockierte mich.
Der Artikel ließ sich nun über ein mysteriöses drittes Opfer aus und beschrieb sehr präzise die unvollständigen Überreste, die wir in der dritten Grube gefunden hatten. Er schloss mit der Feststellung, dass die Identität der jungen Frau bis dato ein Geheimnis bleibe.
Wie zum Teufel hatten sie das erfahren?
Ich spürte Zorn in mir aufsteigen. Bin ich schon im Allgemeinen kein besonderer Freund medialer Aufmerksamkeit, so ist sie mir besonders unangenehm, wenn sie einen meiner Fälle zu beeinträchtigen droht. Wer konnte diese Informationen preisgegeben haben?
Ich atmete einmal tief durch und stand auf, um meinen Kaffee aufzuwärmen.
Okay. Irgendjemand hatte etwas durchsickern lassen. Na und?
So was kam schon mal vor.
Ich stellte die Tasse in die Mikrowelle und schaltete sie ein.
Stimmt. Aber wird es dem Fall schaden?
Es piepte, und ich holte die Tasse heraus.
Nein. Es konnte sogar sein, dass uns der Artikel einen nützlichen Hinweis einbrachte. Vielleicht meldete sich jemand, der einen Namen wusste.
Es war also nichts passiert. Aber war es eine offizielle Entscheidung gewesen, diese Information zu veröffentlichen? Wahrscheinlich nicht, denn sonst hätte ich davon erfahren.
Irgendjemand hatte mit der Presse geredet, und das war untragbar. Wer wusste von den Knochen des Mädchens? Quickwater? Claudel? Einer von der Spurensicherung? Ein Labortechniker? Dr. Russell?
Du wirst es an diesem Wochenende kaum herausfinden.
Stimmt auch wieder.
Ich nahm mir vor, mich erst am Montag mit der Frage wieder zu beschäftigen, und kehrte zu meinen Wochenendplänen zurück. Lesen. Einkaufen. Isabelles Party.
Kit.
O Mann.
Ich ging zum Telefon und wählte Isabelles Nummer.
»Bonjour.«
»Isabelle, ich bin’s.«
»Tempe, denk nicht mal dran, mir abzusagen.« Im Hintergrund konnte ich Le Sacré du printemps hören und wusste, dass sie kochte. Isabelle kochte immer zu Strawinsky.
»Na ja, es hat sich da was ergeben –«
»Das Einzige, was dich für heute Abend entschuldigen würde, wäre ein tödlicher Sturz aus einem Hochhaus. Und zwar deiner.«
»Mein Neffe ist heute Morgen aufgetaucht, und er wird eine Weile bei mir bleiben.«
»Oui?«
»Ich möchte ihn an
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