Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan
ihr mit einem menschlichen Auge Nachdruck verlieh.
Obwohl ich zwanzig Minuten geduscht hatte, ließ sich der Formaldehydgeruch nicht aus meinem Hirn vertreiben. Mit einem komischen Gefühl im Magen und Gänsehaut schlief ich schließlich ein.
Am nächsten Morgen schlief ich lange. Als ich schließlich aufwachte, fühlte ich mich noch müde, weil ich in der Nacht immer wieder hochgeschreckt war, dachte aber sofort an das Ding in meinem Gemüsefach. Wer? Warum? Hatte es mit der Arbeit zu tun? Oder hatte ich einen Perversen in der Nachbarschaft? Wer beobachtete mich?
Doch ich schob all diese Fragen weit in den Hintergrund, denn ich war fest entschlossen, mich erst am Montag damit zu beschäftigen. Ich kontrollierte meinen Selbstverteidigungsspray und überprüfte, ob die Notfalltasten am Telefon und am Sicherheitssystem auf 911 programmiert waren.
Die Sonne schien hell, und das Thermometer auf meiner Terrasse zeigte fünf Grad. Und das bereits um zehn Uhr morgens. Für kanadische Verhältnisse würde es ein warmer Tag werden.
Da ich den Tagesrhythmus von Teenagern kannte, erwartete ich Kit nicht vor Mittag und zog deshalb meinen Trainingsanzug an und ging ins Fitness-Studio. Auf der Straße kribbelte meine Haut vor Anspannung, ich bewegte mich vorsichtiger als sonst und hielt Ausschau nach Verdächtigem.
Nach dem Training kaufte ich Bagels und Frischkäse und ein paar Leckereien als zusätzlichen Belag. Am Blumenstand ließ ich mich zu einem Spontankauf hinreißen. Seit Kits Ankunft hatte Birdie mich praktisch ignoriert, und ich wollte mir seine Zuneigung mit etwas Katzenminze zurückerobern.
Doch weder die Bagels noch die Katzenminze waren besonders effektiv. Mein Neffe tauchte gegen viertel nach eins auf, und der Kater tapste träge hinter ihm her.
»Sag keinen Satz, in dem die Wörter ›Frühaufsteher‹ oder ›Morgen‹ vorkommen«, bemerkte mein Neffe.
»Bagel?«
»Akzeptabel.«
»Frischkäse, Räucherlachs, Zitrone, Zwiebeln, Kapern?«
»Lösch die Kapern. Ansonsten kannst du das Programm laufen lassen.«
Birdie beäugte die Katzenminze, gab aber keinen Laut von sich.
Während Kit aß, unterbreitete ich ihm meine Vorschläge.
»Es ist ein wunderbarer Tag. Ich würde sagen, wir unternehmen was im Freien.«
»Einverstanden.«
»Wir können in den Botanischen Garten gehen, oben auf dem Berg herumspazieren, oder ich kann zwei Fahrräder organisieren, und wir fahren zum alten Hafen oder auf dem Radweg am Lachine Canal entlang.«
»Darf man dort auch skaten?«
»Skaten?«
»Mit Rollerblades fahren. Können wir uns irgendwo Inlines mieten und diesen Radweg nehmen?«
»Ich glaube schon.« O Mann.
»Ich wette, du bist ‘ne Schau auf Rollerblades. Harry ist ziemlich gut.«
»Mal sehen. Warum nennst du deine Mom eigentlich Harry?«
Das hatte mich immer schon interessiert. Seit Kit sprechen konnte, nannte er seine Mutter bei ihrem Vornamen.
»Ich weiß auch nicht. Sie ist ja nicht gerade wie die Mom aus Unsere kleine Farm.«
»Aber du tust das, seit du zwei Jahre alt warst.«
»Sie war auch damals schon nicht sehr häuslich. Aber lenk nicht ab. Hast du Lust auf Inline-Skating?«
»Klar.«
»Du bist echt stark, Tante Tempe. Ich will nur noch schnell duschen, und dann geht’s los.«
Es war ein fast perfekter Tag. Anfangs war ich noch etwas wackelig, aber ich fand schnell meinen Rhythmus, und bald glitt ich dahin, als wäre ich auf Skates geboren. Ich erinnerte mich, wie ich als kleines Mädchen mit Rollschuhen über Bürgersteige gesaust war und dabei des Öfteren beinahe mit Fußgängern zusammengestoßen oder vor Autos gelaufen wäre. Die Sonne hatte Unmengen von Joggern ins Freie gelockt, die zusammen mit Radfahrern, Skateboardern und anderen Inline-Skatern den Radweg bevölkerten. Auch wenn ich in den Kurven noch etwas unsicher war, lernte ich doch, mich so zu bewegen, dass ich Kollisionen vermied. Das Einzige, was ich nicht beherrschte, war der schnelle Stopp. Als ich ein Mädchen war, waren Drag Brakes für Rollschuhe noch nicht erfunden.
Am Ende des Nachmittags segelte ich so elegant dahin wie die Black Magic I im America’s Cup. Oder wie ‘ne Ente auf Schmierseife, wie Kit es formulierte. Allerdings bestand ich darauf, mich zu polstern wie ein Eishockeytorwart.
Es war schon nach fünf, als wir Skates und Schützer zurückgaben und zu Chez Singapore gingen, um asiatisch zu essen. Dann liehen wir uns Der rosarote Panther und Ein Schuss im Dunkeln aus und lachten, als Inspector
Weitere Kostenlose Bücher