Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan
aus, als würden sie schon lange arbeiten.
Ich atmete einmal tief durch und ging zu den Detectives.
»Bonjour. Comment ça va?«
»Hey, Doc. Wie geht’s, wie steht’s?« Charbonneaus Englisch war eine komische Mischung aus québécois und texanischem Slang, Letzter allerdings ziemlich altmodisch.
»Bonjour, Monsieur Quickwater.«
Quickwater drehte sich leicht, schaute verdrossen, weil er mich begrüßen musste, und wandte seine Aufmerksamkeit dann wieder dem Blutspritzerteam zu. Sie filmten eben eine akustische Gitarre, die an einem verrosteten Vogelkäfig lehnte. Zwischen Käfig und Wand klemmte eine Sportkappe, auf einem weinfarbenen Fleck über dem Schild waren die Buchstaben »–c–o–c–k–«, Schwanz, zu erkennen. Ich dachte an die Poster und fragte mich, welche Macho-Botschaft uns das Blutbad erspart hatte.
»Wo ist Claudel?«, fragte ich Charbonneau.
»Verhört gerade einen Verdächtigen, wird aber bald hier sein. Diese Kerle sind schon was ganz Spezielles, nicht?« Seine Stimme war voller Abscheu. »Mit der Moral von Mistkäfern.«
»Ist das eindeutig bandenbezogen?«
»Ja. Der Typ, der da drüben nicht besonders gut aussieht, ist Yves Desjardins, Spitzname ›Cherokee‹. Er war ein Predator.«
»Wie passen die ins Bild?«
»Die Predators sind auch ein Handlangerclub der Hell Angels.«
»Wie die Vipers.«
»Genau.«
»Dann steckt hier also die Rock Machine dahinter?«
»Wahrscheinlich. Obwohl Cherokee, soweit ich weiß, seit Jahren nicht mehr aktiv war. Er hatte eine kaputte Leber. Nein. Dickdarmkrebs. Das war’s. Nicht überraschend bei dem Zeug, was diese Jungs sich normalerweise einwerfen.«
»Was hatte er getan, um den Gegner zu verärgern?«
»Cherokee hatte so eine Art Ersatzteilhandel.« Als Charbonneau den Arm hob, um durchs Zimmer zu deuten, sah ich einen dunklen Halbmond unter seiner Achsel. »Aber anscheinend waren Kettenräder und Vergaser nicht profitabel genug. Wir haben in der Unterwäscheschublade des großen tapferen Jungen ungefähr zwei Kilo Kokain gefunden. Dürfte ein ziemlich sicheres Versteck gewesen sein, da der Kerl nicht so aussieht, als hätte er je seine Unterhose gewechselt. Auf jeden Fall war das wahrscheinlich der Grund für den Überraschungsbesuch. Aber wer weiß? Vielleicht war es auch eine Vergeltung für den Marcotte-Mord.«
»Spinne.«
Charbonneau nickte.
»Gibt es Hinweise auf ein gewaltsames Eindringen?«
»Im Schlafzimmer ist ein zerbrochenes Fenster, aber so kamen sie nicht herein.«
»Nicht?«
»Die meisten Splitter liegen auf der Straße. Sieht aus, als wäre das Fenster von innen zertrümmert worden.«
»Von wem?«
Er hob die Hände.
»Wie ist dann der Mörder hereingekommen?«
»Er muss ihn hereingelassen haben.«
»Warum sollte er das tun?«
»Cherokee war verschlagen wie ein Pitbull und noch unfreundlicher. Aber er hatte für einen Biker ein ziemlich hohes Alter erreicht und hielt sich jetzt wohl für unsterblich.«
»Bis auf den Krebs.«
»Genau. Aber ich will Ihnen was zeigen.«
Charbonneau ging zu der Leiche, und ich folgte ihm. Näher dran war der Geruch stärker, eine Übelkeit erregende Mischung aus verkohltem Holz, Benzin, Exkrementen und verwesendem Fleisch. Er zog sein Taschentuch heraus und hielt es sich vor die Nase.
»Schauen Sie sich die Tätowierungen an.« Gedämpft.
Cherokees rechte Hand lag in seinem Schoß, der linke Arm hing in merkwürdig verdrehtem Winkel über der Sessellehne, sodass die Finger zum Teppich zeigten. Trotz einer dicken Rußschicht war auf seinem Handgelenk deutlich eine Anordnung von Schädeln zu erkennen. Es waren insgesamt fünfzehn, zu einer Pyramide arrangiert wie die mysteriösen Opfergaben, die man in europäischen Höhlen gefunden hatte. Aber diese Trophäen zeigten Unterscheidungsmerkmale, die es bei unseren Neandertaler-Vorfahren noch nicht gegeben hatte. Dreizehn der Schädel hatten schwarze Augen, zwei rote.
»Die sind wie Kerben an einem Pistolengriff.« Charbonneau nahm das Tuch gerade lange genug vom Mund, um mir diese Erklärung zu geben. »Schwarz bedeutet, dass er einen Mann umgebracht hat, rot eine Frau.«
»Ziemlich blöd, für so was auch noch Reklame zu machen.«
»Schon, aber unser Junge hier gehörte noch zur alten Schule. Heutzutage hören sie mehr auf ihre Anwälte.«
Ausgehend vom Grad der Aufblähung und Hautablösung, schätzte ich, dass das Opfer schon einige Tage tot war.
»Wie wurde er gefunden?«
»Wie üblich. Ein Nachbar beschwerte sich über
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