Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan
einen fauligen Geruch. Erstaunlich, dass das in diesem Dreckloch überhaupt jemand bemerkt.«
Ich sah mir die Leiche noch einmal an. Abgesehen von den schlechten Zähnen und dem Schnurrbart, war nicht mehr festzustellen, wie der Mann ausgesehen hatte. Was von seinem Kopf noch übrig war, lehnte am Sesselrücken, der Stoffbezug darum herum war dunkel verfärbt. In der Fleischmasse, die sein Gesicht gewesen war, konnte ich Schrotkugeln erkennen.
»Wie gefallen Ihnen die Spezialeffekte?«
Charbonneau deutete auf einen kleinen Fransenteppich unter den Füßen des Opfers. Er war stark verkohlt, genau wie die Unterseite des Sessels. Cherokee selbst war rauchgeschwärzt, und seine baumelnde linke Hand, der Saum seiner Jeans und die Stiefel waren angesengt. Aber darüber hinaus gab es kaum Brandschäden.
Vor dem Stuhl war ein Feuer entzündet worden, und der noch in der Luft hängende Benzingeruch deutete auf die Verwendung eines Brandbeschleunigers hin. Die Flammen hatten die Leiche vermutlich eingehüllt, waren dann aber aus Mangel an brennbarem Material ausgegangen. Zu der Zeit waren die Mörder schon längst verschwunden.
Charbonneau nahm sein Taschentuch wieder vom Gesicht.
»Typische Biker-Scheiße. Opfer erschießen und die Leiche dann abfackeln. Nur hat dieses Team sein Brandstiftereinmaleins anscheinend nicht gelernt.«
»Warum sollte dieser Typ einfach so die Tür öffnen, wenn er auf fremdem Terrain Koks verkauft?«
»Vielleicht hatte sein Krebs sich schon ins Hirn gefressen. Vielleicht war er high. Vielleicht litt er an der Wahnvorstellung, alles wäre ganz normal. Mein Gott, wer weiß schon, wie die denken. Oder ob sie denken.«
»Hätte es sein eigener Club sein können?«
»Ist auch schon vorgekommen.«
In diesem Augenblick kam Claudel zurück, und Charbonneau entschuldigte sich, um zu seinen Kollegen zu gehen. Ich war zwar neugierig auf den Verdächtigen, den er verhört hatte, doch da ich es nicht mit dem vereinten Catcherteam Claudel-Quickwater aufnehmen wollte, ging ich ans andere Ende des Zimmers und beobachtete weiter die Blutspritzeranalytiker.
Inzwischen waren sie mit der westlichen Wand fertig und wandten sich der nördlichen zu.
Obwohl ich so weit wie möglich von der Leiche entfernt stand, wurde der Geruch im Zimmer allmählich unerträglich. Und Charbonneau hatte Recht. Die Leiche war nur ein Bestandteil des Ekel erregenden Cocktails aus Moder, Motorenöl, schalem Bier, Schweiß und Jahren schlechten Kochens. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass in einem solchen Gestank überhaupt jemand hatte leben können.
Ich schaute auf die Uhr. Zwei Uhr fünfzehn. Ich dachte allmählich an ein Taxi und drehte mich dem Fenster in meinem Rücken zu.
Cherokees Wohnung lag im erhöhten Erdgeschoss, sein Balkon war keine zwei Meter über dem Bürgersteig. Durch die schmutzigen Scheiben sah ich die gewohnte Armada aus Streifenwagen, Transportern und zivilen Fahrzeugen. Nachbarn standen in Gruppen herum oder starrten von den kleinen Balkonen der umliegenden Häuser herüber. Pressefahrzeuge und Übertragungswagen vergrößerten das Durcheinander auf der schmalen Straße noch.
Der Leichenwagen fuhr vor, als ich eben den Blick über das Gewirr schweifen ließ, zwei Männer sprangen heraus, öffneten die Hintertüren und zogen eine Bahre heraus. Sie klappten die Räder nach unten und rollten die Bahre den kurzen Zuweg zum Hauseingang hinauf, wobei sie immer wieder schlammigen Furchen und wassergefüllten Pfützen ausweichen mussten. Ein irisierender Film glänzte auf den Wasseroberflächen. Hübsch. Der Vorgarten der Appartements du Soleil.
Sekunden später klopfte das Transportteam an die Tür. Claudel ließ sie ein und ging dann wieder zu seinen Kollegen. Ich wappnete mich und gesellte mich ebenfalls zu den Detectives. Claudel unterbrach seinen Bericht über das Verhör des Hauptverdächtigen nicht.
»Ihr haltet das da an der Wand für eine Sauerei?« Claudel deutete in die nordwestliche Ecke, wo das Spurensicherungsteam noch immer Blutflecken vermaß und filmte. »Die Jacke des Typen sieht aus, als hätte er sie im Schlachthaus eines Viehhofs getragen. Natürlich hat der kleine Kakerlak nicht mal genug Hirn, um einer Motte die Flügel auszureißen.«
»Warum hat er sie behalten?« Charbonneau.
»Er war vermutlich zu geizig, um sich von dem Lederding zu trennen. Und er dachte sich, dass wir nie auf ihn kommen würden. Aber er hatte sich die Zeit genommen, sie abzuwischen und unter dem Bett zu
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