Last days on Earth: Thriller (German Edition)
einem Dunkelmagus folgte in der Regel ein internes Ermittlungsverfahren, aber der Schwarze Zweig hatte in diesem Fall seinen Mann unverzüglich abgezogen.
Karla sah den Obermagister an. Worauf wollte er hinaus?
»Ich werde Sie also vom Wunderland-Fall abziehen. Ihr neuer Fall liegt bereits auf Ihrem Schreibtisch, und Ihr Partner wurde informiert.«
Karla horchte auf. Ein neuer Fall? Der Obermagister zeichnete eine Sigille auf das verschlüsselte Aktenblatt und reichte es ihr. Ein Personalbogen, wie sie jetzt sah, da die Verschlüsselung aufgehoben war. Sie überflog ihn und nickte unbehaglich. »Ein freier Mitarbeiter der ZMA? Das ist ungewöhnlich.«
Der Obermagister hob die Schultern. »Personalknappheit«, erwiderte er. »Der Mann hat eine ausgezeichnete Bewertung.«
Karla las sie gerade. Tora-san persönlich hatte ihn empfohlen. Das war allerdings eine Referenz, die sich sehen lassen konnte.
Karla schob den Bogen in seine Hülle zurück. »Ich kontaktiere ihn in den nächsten Tagen.«
»Nein, Sie kontaktieren ihn unverzüglich.« Korngold tippte mit den Fingern auf die Tischplatte. »Magistra, Sie sollten Ihre Ressentiments gegenüber unseren Kollegen vom Schwarzen Zweig einer Überprüfung unterziehen.«
»Ja, Chef.« Sie erhob sich. »Sonst noch etwas?«
Er fixierte sie stumm, und sie erwiderte seinen Blick ebenso unnachgiebig.
»Verschwinden Sie, van Zomeren«, sagte er schließlich und winkte ungeduldig. »Gehen Sie mir aus den Augen.«
12. 19. 19. 03. 17.
Raoul blickte auf seine zitternden Finger, die das Kaffeepulver neben den Filter geschüttet hatten, als wären sie die eines Fremden. Das Zittern wurde stärker.
Mit einer achtsamen Bewegung setzte er die Kaffeedose ab und ließ sich auf den Stuhl sinken. Er legte beide Hände in den Schoß.
Er konnte sich nicht daran erinnern, wie er gestern seinen Tag verbracht hatte. Vorgestern? Vor drei Tagen? Wenn der Kalender neben der Tür nicht log, dann fehlte ihm eine ganze Woche. Eine Woche, in der er mit Menschen gesprochen, gegessen, geschlafen, ein Leben gelebt hatte – und an die er sich nicht erinnern konnte. Vielleicht sollte er zufrieden damit sein, dass keine Leiche in seinem Kühlschrank lag, deren Herkunft er nicht kannte. Er sollte zufrieden damit sein, dass er zu Hause, in seinem Bett aufgewacht war – glücklicherweise allein – und nicht an einem Ort, der ihm fremd war. Das alles war schon vorgekommen.
Er atmete tief ein und aus und legte die Hände flach auf den Tisch. Zum Frühstück statt des Kaffees einen Whisky, dann waren seine Hände wieder ruhig. Noch funktionierte das. Noch.
Der Whisky tat seinen Dienst. Mit ruhigen Händen wählte Raoul Winter eine Nummer und tippte nervös auf dem Tisch herum.
Es knackte, und eine Stimme sagte: »Ja?«
»Tora-san, du hättest mich fragen sollen. Oder wenigstens vorwarnen«, sagte er ohne Begrüßung.
Die Frauenstimme am anderen Ende lachte tief und melodisch. Er hörte ein Feuerzeug. »Raoul, du sagst doch immer, dass du Überraschungen liebst.«
»Nicht diese Art von Überraschung«, erwiderte er knurrig. Seine Stimmung hatte sich in dem Moment aufgehellt, in dem er Toras Stimme hörte, aber er gedachte nicht, es ihr leicht zu machen. »Du weißt, dass ich nicht gerne mit der MID zusammenarbeite. Verdammte Bande von Bürokraten.«
Seine Gesprächspartnerin inhalierte und stieß den Atem wieder aus. Er sah die bläulichen Rauchwolken förmlich aus dem Hörer quellen. »Schatz, du wirst mir den Gefallen tun«, sagte sie.
Er verzog das Gesicht. Es musste mehr dahinterstecken als er auf den ersten Blick erkennen konnte. Tora wusste, dass er nicht ablehnen würde, wenn sie so mit ihm sprach.
»Du bist der Chef, Roshi«, antwortete er deshalb.
»Nenn mich nicht ›Roshi‹«, sagte sie. »Und ich bitte dich nur um einen Gefallen, Raoul. Es ist kein Befehl.«
Nun, genau genommen konnte sie ihm auch nichts befehlen. Er stand nicht auf den Soldlisten der Zentralen Magischen Aufklärung. Die ZMA könnte sich seine Dienste nicht leisten. Raoul lächelte schmal. »Also gut. Worum geht es?«
»Magistra van Zomeren wird dich heute oder morgen aufsuchen«, sagte sie. »Sie informiert dich über alles. Sei nicht böse, mein Junge, ich bin ein wenig in Eile.«
Er runzelte die Stirn. »Kennst du sie?«
»Sie hat einen Abschluss am Quantenmetaphysischen Institut in Freiburg und ist danach direkt zur Magisterischen Informationsdienststelle gegangen. Van Zomeren scheint eine
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