Last days on Earth: Thriller (German Edition)
Würden Sie uns in der Zeit einen Kaffee kochen?«
Die Dusche tat gut. Er drehte das Wasser so heiß auf, dass er es gerade noch aushalten konnte, und seifte sich gründlich ein. Daimonen legten keinen Wert auf Körperpflege. Ob sein Wirt sauber oder schmutzig, betrunken oder halb verhungert war, interessierte Brad nicht. Schon deshalb war es wichtig, die Kontrolle zu behalten.
Er griff nach dem Handtuch und trocknete sich ab. Ein schneller Blick in den Spiegel. Raoul atmete tief ein und beugte sich vor, um sich in die Augen zu sehen. Brad, dachte er beschwörend. Pourudhâxshtay, Kumpel, wo bist du?
Natürlich meldete er sich nicht. Wenn die Hexe Brad abgeschossen hatte, war er jetzt erst mal beleidigt und hatte sich in die tieferen Schichten des Limbus verkrochen. Natürlich hatte die Waffe ihn nicht verletzen können, dafür waren die Dinger nicht gebaut. Genau genommen gab es nichts auf der Welt, was einen Daimon verletzen konnte. Nichts Materielles zumindest. Man konnte den Wirt töten, aber auch dann blieb der Symbiont unversehrt.
Raoul seufzte und löste den Blickkontakt. Es war ohnehin sinnlos, und er wollte nicht riskieren, dass am Ende ein anderer Daimon die Einladung annahm.
Er hängte das nasse Handtuch über den Spiegel, fuhr mit einem Kamm flüchtig durch die feuchten Haare und zog den Morgenmantel an, der hinter der Tür hing. Die Kleider, die er getragen hatte, waren reif für den Müll. Er machte sich im Geiste eine Notiz, dass er seine Haushälterin vorwarnen musste. Magdalena war eine Menge gewöhnt, aber wahrscheinlich würde der Zustand der Wohnung diesmal sogar ihr leidgeprüftes Gemüt überfordern.
Raoul blieb an der Tür stehen und begann erbittert zu fluchen. Die Notiz war natürlich vollkommen sinnlos, wenn Brad nicht da war, um sie entgegenzunehmen und zu speichern. Er musste sich einen Zettel suchen und einen Stift und »Magdalena anrufen« darauf notieren. Dieses dämliche MID-Weib! Hoffentlich kochte sie wenigstens einen anständigen Kaffee.
Er ging durch die Verbindungstür ins Ankleidezimmer, und gerade als er das Hemd zuknöpfte, gellte ein Schrei aus der Küche.
Winter besaß eine große, moderne, mit allem technischen Schnickschnack ausgestattete Küche – sie hatte nichts anderes erwartet. Karla machte einen großen Schritt über einen Haufen Müllsäcke und riss das Fenster auf, um Fliegen und Gestank in die Freiheit zu entlassen.
Dann sah sie sich um. Natürlich besaß dieser Herr Winter von Adlersflügel keine einfache Filtermaschine, um seinen Kaffee zu bereiten, sondern einen Apparat, der wahrscheinlich auch selbsttätig dreigängige Menüs zubereiten und danach den Abwasch erledigen konnte. Karla setzte den Kaffeefilter ein und suchte dann nach sauberen Tassen. Vergeblich.
Sie spülte zwei der am wenigsten ekligen Tassen gut aus – zumindest kam heißes Wasser aus dem Hahn – und trocknete sie durch heftiges Schütteln in der Luft einigermaßen ab. Dann sah sie sich um. Zucker. Löffel. Milch? Gab es genießbare Milch in diesem Haushalt?
Eine innere Stimme warnte sie, als sie sich dem Kühlschrank näherte. Es war ein silbernes Riesending, zweitürig, so hoch wie sie selbst, und die linke Tür öffnete sich schmatzend, als sie am Griff zog.
Karla schrie auf. Sie schmetterte die Tür wieder zu und wich an die Spüle zurück, wobei sie den Kühlschrank nicht aus den Augen ließ. Hatte es sich noch bewegt? Nein, es war tot. Ganz und gar und hundertprozentig sicher war es tot. Ein wesentlicher Teil seines Körpers fehlte, und der glasige Blick glich dem von vergammelndem Fisch auf dem Wochenmarkt.
Karla bemerkte, dass sie sich die Finger so heftig an der Hose abwischte, dass ihre Haut zu brennen begann.
Die Küchentür knallte gegen die Wand, und der Irre stand im Rahmen. Karla begegnete seinem Blick und wünschte sich, sie hätte ihren Bereitschaftskoffer dabei. Eine Austreibung hatte sie schon gemacht, aber wahrscheinlich wäre eine komplette Bannung die angemessenere Maßnahme gewesen.
Das hagere, adlernasige Gesicht des Mannes verlor seinen finsteren Ausdruck. Winter wirkte sogar ein wenig verlegen. Er hob die Hand, rieb sich über die Wange, was ein kratzendes Geräusch machte, und sagte: »Sie haben die falsche Seite vom Kühlschrank geöffnet.«
Karla fiel auf, dass er frische Kleider trug und die Haare gewaschen und zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Er sah nicht mehr ganz so verlottert aus. Sie riss sich von seinem Anblick los und nickte.
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