Last days on Earth: Thriller (German Edition)
unverhohlenen Zähnefletschen zurück, und ein drohendes Knurren kam aus seiner Kehle. Er machte einen Schritt auf sie zu.
»Drei«, sagte Karla und drückte ab.
12. 19. 19. 03. 18.
Sein Schädel dröhnte, und der Nacken schmerzte, als hätte er einen Schlag mit einem Bleirohr abbekommen. Er öffnete die Augen und schloss sie gleich wieder, weil das grelle Licht sich mit spitzen Dornen durch seine Augen in den Hinterkopf bohrte.
»Was …?«, murmelte er und ließ sich von der großen, blonden Fremden aufhelfen. »Was ist …?« Er hielt inne und lauschte. Da stimmte etwas nicht.
Er erwiderte den Blick der Frau. »Wer sind Sie? Wie sind Sie hier hereingekommen?« Er rieb sich den schmerzenden Nacken.
Ohne den Blick abzuwenden, griff sie in die Tasche ihrer Lederjacke. Bei der Bewegung sah er kurz ein Schulterhalfter aufblitzen. Dann hielt sie ihre Marke hoch. Eine Magistra. Was trieb eine MID-Beamtin in seiner Wohnung?
»Van Zomeren«, sagte sie. Er brauchte einen Moment, bis er begriff, dass das ihr Name sein musste. Er stand wackelig auf und sah sich um. Das war sein verdammtes Badezimmer. Was trieb die Beamtin in seinem Bad?
»Ich habe Gebrauch von meiner Schusswaffe machen müssen«, erklärte sie. »Geht es Ihnen gut? Benötigen Sie einen Arzt?«
»Unter mir wohnt einer«, sagte er und lachte kurz auf. »Dr. Frankenstein – äh – Frankenheim. Psychiater. Brauche ich einen Arzt? Sagen Sie es mir.«
Sie kniff die Augen zusammen. »Fühlen Sie sich desorientiert? Haben Sie körperliche Ausfallerscheinungen irgendwelcher Art?«
Er schloss die Augen und ging im Geiste seine Körperteile durch. Es schien alles an Ort und Stelle zu sein. Allerdings war er ein wenig desorientiert, was daran lag, dass etwas fehlte. Etwas existenziell Wichtiges. Brad.
Er riss die Augen auf und machte einen Schritt auf die Beamtin zu. »Verdammt, was haben Sie da angerichtet?«, fauchte er. Er drängte sie grob beiseite und stürmte aus dem Badezimmer.
Sie folgte ihm gemächlich. »Was ich angerichtet habe?«, hörte er sie sagen. »Ich habe nach Dienstvorschrift VII/b/*3 einen Eindringling entfernt, der Ihr Bewusstsein und Ihren Körper übernommen hatte. Wenn Sie Grund zur Beschwerde sehen, können Sie diese über den normalen Dienstweg einreichen.«
Er schaltete das Bürokratengeschwätz stumm und ließ sich in seinen Schreibtischsessel fallen. Während er erbittert auf seinem Daumennagel herumkaute, ging er die Möglichkeiten durch, die ihm jetzt blieben. Er konnte sich mit der Hexe herumstreiten, wenn es sein musste bis hin zu einer Dienstaufsichtsbeschwerde. Allerdings war ihm bewusst, dass seine Aussichten, damit irgendetwas zu erreichen, gleich null waren. Darüber hinaus konnte er sich ganz dunkel daran erinnern, dass er mit Tora telefoniert hatte und dass die schießwütige Magistra ein gewisses Recht hatte, sich in seiner Wohnung aufzuhalten. Oder?
»Habe ich Sie reingelassen?«, fragte er.
Sie sah ihn verblüfft an. »Ja«, erwiderte sie. »Mann, erinnern Sie sich wirklich an gar nichts? Der Inkubus muss Sie ja komplett dominiert haben.«
»Kein Inkubus«, sagte er automatisch.
Sie zog die Brauen hoch. »Na gut, der Daimon?«
»Ich ziehe den Begriff ›Genius‹ vor«, schnappte er. »Und Sie haben es wahrhaftig geschafft, Brad in den Limbus zu schicken, Sie ungeschicktes Trampeltier!« Er tastete unwillkürlich nach dem Zeichen auf seiner Brust, das sich kalt und ein wenig klamm anfühlte. Ohne Brad war er nur ein halber Mensch.
»Wer ist Brad?«, fragte sie. Ihre grauen Augen waren bei seinem Ausbruch eine Schattierung dunkler geworden, aber ihr Gesichtsausdruck hatte sich nicht verändert.
»Brad ist mein ›Daimon‹. Mein Symbiont. Mein verdammter Mitarbeiter!«
Ihr Gesicht zeigte kurz einen Ausdruck der Verblüffung, dann hatte sie sich wieder unter Kontrolle. »Ihr Mitarbeiter«, wiederholte sie. »Davon stand nichts in meinen Unterlagen.«
»Wir gehen damit auch nicht hausieren.« Er merkte, wie die Müdigkeit ihn ansprang. Hölle, was hatte Brad in den letzten Tagen angestellt? Er konnte sich nur bruchstückhaft erinnern.
Sie nickte langsam. »Ich habe ihn gesehen«, sagte sie. »Im Badezimmer. Er wollte mir die Kehle durchbeißen, glaube ich.«
Raoul hörte auf, sich den schmerzenden Nacken zu reiben, und lachte. »Das kann ich nachvollziehen.« Er schnüffelte und verzog das Gesicht. »Ich rieche wie ein Iltis. Lassen Sie mich kurz duschen und etwas Frisches anziehen.
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