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Last days on Earth

Last days on Earth

Titel: Last days on Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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wusste als Raoul, der seine
Informationen sicherlich nur aus zweiter Hand hatte. Er wirkte jedenfalls auf
sie nicht wie ein Mann, der auf Vampirfrauen stand.
    Â»Ich habe nie verstanden, was Frauen an Blutsaugern finden«,
bestätigte er ihre Vermutung. »Wenn ich allein an die Bücher über diese
weichgespülten Vampirliebhaber denke, die in den letzten Jahren erschienen sind – wer mag denn so etwas lesen?«
    Karla lachte. »Ich nicht«, erwiderte sie. »Ist mir zu schwülstig.
Ich lese lieber Space-Fiction.«
    Er stützte das Kinn in die Hand und musterte sie lächelnd. Seine
Augen, die so tief lagen, dass die Brauen einen Schatten über sie warfen,
schimmerten in einem klaren Honigton. In dem warmen Licht, das durch das
Westfenster fiel, sah sein Gesicht nicht mehr so grau aus, und sein dunkles
Haar glänzte wie ein Katzenfell.
    Karla rief sich zur Ordnung. Das war ein dienstliches Gespräch und
kein Ort für Geplauder über Vampire und Lesevorlieben. Sie nahm ihren Rucksack
und zog einen Stapel Fotos heraus, den sie am Morgen auf ihrem Tisch in der
Dienststelle vorgefunden hatte. »Haben Sie die Zeit, sich ein paar Tatortfotos
anzusehen?«
    Er murmelte eine Zustimmung und setzte sich zu ihr auf die Ottomane.
»Wir können auch ins Arbeitszimmer gehen«, sagte er, aber Karla war schon
dabei, die Fotos auszubreiten.
    Â»Was wollten Sie mir noch erzählen?«, fragte sie.
    Raoul antwortete nicht sofort. Sie hob den Kopf und sah ihn fragend
an. Seine Augen hatten sich verdunkelt, seine Miene war maskenhaft starr. Es
schien, als wäre er Lichtjahre entfernt. Karla zuckte zusammen, als sich sein
Mund öffnete und er mit ganz normal klingender Stimme ihre Frage beantwortete:
»Ich habe gestern einige Informationen bekommen. Die Unterlagen der MID sind auf sträfliche Weise unvollständig an Sie weitergereicht
worden.« Sein Gesicht belebte sich, verlor den in sich gekehrten Ausdruck. Er
sah sie grimmig an. »Warum schicken Ihre Vorgesetzten Sie in eine Mission und
instruieren Sie nicht anständig?«
    Karla runzelte die Stirn. »Das kann ich nicht beantworten, solange
ich nicht weiß, wovon Sie reden«, erwiderte sie scharf. Das Getue des Magiers
ging ihr auf die Nerven. Sie klopfte mit dem Zeigefinger auf die Fotos. »Wollen
wir uns zuerst die Tatorte ansehen?«
    Er hob die Schultern. »Bitte.«
    Die Fotos waren nichtssagend. Karla legte die Stirn in die Hand und
stöhnte. »Ich hasse solche Fälle. Wenn man an einen frischen Tatort kommt und
dort die Restschwingungen des Einbruchs aufspüren kann, dann ist es viel
einfacher, sich ein Bild zu machen. Aber trockene Berichte, aussagefreie
Fotos … Und ein paar simple Einbrüche. Meine Güte, mit so einer
Routinesache könnten sie doch einen von den Frischlingen im Dienst
beauftragen.«
    Â»Ich glaube, dass an der ganzen Sache etwas faul ist. Warum
verschweigt die Dienststelle Ihnen die Morde?«
    Karla traute ihren Ohren nicht. »Reden wir von der gleichen
Angelegenheit? Eine Einbruchsserie, bei der vor allem alte Bücher und
irgendwelcher esoterischer Krempel gestohlen wurden? Wie sollen da irgendwelche
Morde hineinpassen?«
    Er schien ihr nicht zuzuhören. »Alte Bücher«, murmelte er.
»Verdammt. Was für Bücher?«
    Karla zuckte die Schultern. »Es gibt eine Auflistung. In den
Unterlagen, die Sie nicht lesen wollten«, fügte sie spitz hinzu.
    Er war schon wieder weggetreten. Der unangenehme, schwach süßliche
Geruch wurde stärker. Natürlich: Blutmagie. Daimonenausdünstungen.
    Sie schrak zusammen, als Winter begann, mit monotoner Stimme eine
Litanei herunterzubeten, die keinen erkennbaren Sinn ergab. Erst als er bei
»Nostradamus, Prophezeiungen« ankam, begriff sie, dass er die Liste der
gestohlenen Bücher aufsagte.
    Â»Brad ist wieder da!«, rief sie.
    Er unterbrach sich nicht, aber sein Blick richtete sich auf sie. Das
spöttische Funkeln darin und das Lächeln mit ganz langsam von den Zähnen
zurückweichenden Lippen ließ sie von Winter abrücken. »Bleib mir vom Leib«,
sagte sie. »Ich hab dich schon einmal abgeschossen, mein Junge. Ich kann das
jederzeit wiederholen.«
    Â»Unterstehen Sie sich«, sagte Winter. Er schüttelte heftig den Kopf
und knurrte wie ein Wolf. Dann glättete sich sein gefurchtes Gesicht, und er
fuhr mit beiden Händen darüber.

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