Last days on Earth
er. »Steht die Welt noch?«
Karlas Arme griffen fester zu. Er spürte ihren Herzschlag, ihren
Atem. Ihre Hände waren kühl. »Sie steht noch«, erwiderte sie. »Aber alles wird
schlimmer. Brad hat es eingrenzen können. Wir glauben zu wissen, was dahintersteckt.«
Raoul fuhr mit den Händen über sein Gesicht und seinen Kopf. »Ich
muss den Anschluss wiederfinden.« Er drehte sich zu ihr um. Sie erwiderte
seinen Blick mit einem Ausdruck, den er nicht zu deuten wusste. Blass war sie,
hohlwangig und dünn, als wäre sie krank. Das ärmellose schwarze Top, das sie
trug, lieà ihre helle Haut noch weiÃer erscheinen. Ihre Armbeugen und die Haut
an der Innenseite der Handgelenke waren übersät mit winzigen Narben, die im
Licht glänzten. Raoul riss seinen Blick davon los und fixierte ihn wieder auf
ihr Gesicht. Sie sah so fremd aus, dass er zurückwich. »Was bist du?«, fragte
er unwillkürlich. »Bist du â¦Â«
Das Lächeln, das ihr Gesicht erhellte, löste die Spannung.
»Menschlich«, sagte sie. »Immer noch. Komm, gib mir die Hand.« Sie packte fest
zu und zog ihn auf die FüÃe. »Ich war drei Tage fort. Er hat dich wieder
hungern lassen.« Sie lenkte ihn zur Tür hinaus. »Er weiÃ, dass er deswegen
einen Höllenärger mit mir bekommt, aber ich glaube, er genieÃt das.«
Der Druck ihrer Hand war so beruhigend wie seltsam. Es hatte in
seinem Leben so wenig körperlichen Kontakt zu anderen Menschen gegeben, dass er
nun Mühe hatte, diese Berührung zu ertragen. Wie seltsam war es gewesen, sich
von Karla küssen und berühren zu lassen â ihren Kuss und ihre Berührungen zu
erwidern.
Karla schob ihn zum Tisch in der Küche. »Hinsetzen! Ich mache dir
ein Spiegelei auf Brot. Das kann ich.« Sie grinste. »Ich bin eine lausige
Köchin, Langer.«
Sie holte die Pfanne heraus, stellte das Gas an und ging dann zum
Kühlschrank, um die Eier herauszunehmen. Raoul sah zu, wie sie die Tür öffnete,
und stieà ein ersticktes »Nein« aus. Die falsche Tür. Brads Seite â¦
Karla lieà sich nicht davon beirren. Sie beugte sich vor und holte
ein Paket Eier und eine angebrochene Packung Frühstücksspeck aus dem
Kühlschrank. Raoul sah, dass er voller normaler Lebensmittel stand. Milch,
Wasser, Butter, zwei Pfirsiche, eine Packung Toastbrot â¦
»Was ist mit Brads Ration?«, krächzte er.
Karla warf ihm einen Blick zu. »ScheiÃkerl«, sagte sie. »Dieser
verrückte, sadistische â¦Â« Sie kniff die Lippen zusammen und schlug energisch
zwei Eier in die Pfanne.
Raoul schloss die Augen und stützte den Kopf in die Hände. »O nein.
Du willst nicht sagen, dass er die ganze Zeit â¦Â« Bilder sprangen vor
seinen Augen auf. Jedes Mal, wo er versehentlich die falsche Tür geöffnet
hatte. Die widerliche Prozedur, die verrottenden Reste zu entfernen und den
Kühlschrank zu säubern, ehe die frische Lieferung kam. All die Male, wo sich
Raoul vor dem Kühlschrank wiedergefunden hatte, den Geschmack von Blut und
verwesendem Fleisch im Mund â¦
Karla gab einen mitfühlenden Laut von sich. »Soll ich sie von beiden
Seiten backen?«
Er beugte sich vor und würgte. »Ich weià nicht, ob ich etwas
herunterbringe.«
Sie lieà die Eier auf eine gebutterte Scheibe Brot gleiten und
stellte ihm den Teller hin. »Hier. Wir gehen nachher noch richtig essen, zu
Nevio und Faustina. Die beiden werden sich freuen, dass du wieder da bist.«
Er überwand sich und schob einen Bissen in den Mund. Das Ei war heiÃ
und etwas versalzen, aber es schmeckte köstlich.
Sie sah ihm beim Essen zu, mit einer undeutbaren Miene, die Augen
düster verschattet. »Du musst ihn loswerden«, sagte sie halblaut. »Er ist der
Boss in eurer Beziehung. Du weiÃt das.«
Raoul zog die Schultern schützend empor. Das hätte Tora sagen
können. »Wir sind â¦Â«, sagte er und schob den Teller weg. »Wir sind eine
Person, Karla. Du kannst uns nicht mehr auseinanderdividieren. Er ist ich, ich
bin er. Es ist â¦Â« Er suchte nach Worten und hob dann die Hände,
verschränkte die Finger ineinander und schloss sie zur Faust. »Nicht mehr zu
ändern.«
Sie stützte das Kinn in die Hand. »ScheiÃe.«
Raoul lachte bitter auf und erhob sich. »Gehen wir ins
Arbeitszimmer?«
Karla
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