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Last days on Earth

Last days on Earth

Titel: Last days on Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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räumte den Teller in die Spülmaschine, wischte sich die Hände
ab und folgte ihm. Er warf ihr verstohlene Blicke zu. Sie sagte, sie sei ein
Mensch. Immer noch. Aber wenn er sie so draußen auf der Straße getroffen hätte,
wäre er ohne Zweifel davon ausgegangen, dass er eine Nachtgeborene vor sich
hatte. Sie bewegte sich wie ein Vampir, sie schien schärfere Sinne zu haben,
die Dunkelheit in der Wohnung schien ihr nicht aufzufallen, sie sah aus, als
hätte sie seit Monaten kein Sonnenlicht gesehen …
    Â»Hast du mit Brad geschlafen?«, kam er zu der Frage zurück, die sie
nicht beantwortet hatte. Er dachte an die Kleider in seinem Schrank. Sie
gehörten Karla, ohne Zweifel.
    Sie hob die Schultern. »Ist das wichtig?«
    Er schluckte. »Nein«, erwiderte er rau. »Doch, für mich … wir
beide sind ja nur Kollegen, kein … ach, ich weiß es nicht, Hölle und
Teufel!«
    Karla sah ihn kühl an. »Ich sage dir, es gibt tausendfach
Wichtigeres als diese Frage.« Sie zog den zweiten Stuhl an den Schreibtisch,
der mit Papieren und Ordnern übersät war. »Du wirst dich bei deinem
Drachenfreund melden müssen«, sagte sie, während sie mit schnellen Griffen
Ordnung in das Chaos brachte. »Er hat jede Woche mindestens einmal hier
angerufen. Er macht sich Sorgen. Und Faustina auch. Und natürlich Tora-san –
sie hat mir einige wirklich üble Dinge angedroht, wenn ich nicht gut auf dich
achte.«
    Raoul nickte wieder. Das war es, damit hatte sie seine Freunde
aufgezählt. Quass und Faustina. Tora. War da noch jemand? Er erinnerte sich
nicht.
    Er bemerkte, dass Karla ihn beobachtete. »He«, sagte sie erstaunlich
sanft, »Sei froh, dass du wieder an der Oberfläche bist. Ich bin es
jedenfalls!«
    Raoul sortierte seine Gedanken. Sie nahm Anrufe für ihn entgegen.
Sie hantierte in seiner Küche herum, als wäre es ihre eigene. Kleider von ihr
in seinem Schrank. Ihr Schlüsselbund auf der Ablage neben der Tür. »Du wohnst
hier?«
    Karla hörte auf, Papiere zu stapeln. »Ich hätte dich fragen müssen.
Aber ich kann mir meine Bude im Moment nicht leisten, und Brad meinte, ich
könnte genauso gut hier …«
    Raoul lehnte den Kopf zurück und starrte an die Decke. »Womit wir
wieder beim Thema wären.« Er schnaubte und begann zu lachen. »Ich habe eine
Mitbewohnerin. Na. Ist mal was Neues. Lieber du als die Sorte, die Brad sonst
so anschleppt.«
    Er senkte den Blick und sah, wie sich ihr Gesicht verschloss. Seine
Worte hatten sie verletzt. Raoul schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid. Ich bin
ein Idiot. Aber mir fehlen vier Monate meines Lebens, und ich bin vollkommen desorientiert.
Die MID hatte dich festgenommen. Ich habe sämtliche
neun Höllenkreise für dich in Bewegung gesetzt. Und Brad hat mich am selben
Abend aus dem Verkehr gezogen. Was ist passiert?«
    Karla starrte auf ihre Hände nieder. »Das ist keine Geschichte, die
ich gerne erzähle«, sagte sie. »Danke, dass du mich rausholen wolltest.« Sie
biss sich fest auf die Lippe. »Santo hat es von Faustina erfahren und hat sich
um mich gekümmert. Kerberos reiße ihm die Eier ab!«
    Â»Wer ist Santo?«
    Jetzt endlich hob sie den Kopf und sah ihn an, und er erschrak vor
der Resignation ihres Blickes, die noch stärker war als die eiskalte Wut in
ihrer Stimme. »Vittore Santo Perfido. Das Oberhaupt der hiesigen
Nachtgeborenen. Mein hekateverfluchter Princeps.«

 

    12. 19. 19. 10. 17.
    Raouls verstörte Miene und seine unruhigen Hände ließen
etwas von dem Aufruhr erkennen, der in seinem Inneren tobte. Karla kämpfte mit
der Müdigkeit, die sie wie Bleigewichte niederdrückte. Sie hätte so gerne etwas
zu ihm gesagt, das ihn aus seiner Stimmung befreien würde, etwas Tröstendes
oder Aufmunterndes – aber es fiel ihr nichts ein. »He, es ist alles halb so
wild«? – »In ein paar Monaten geht die Welt unter, also entspann dich und genieße
den Rest«? Oder: »Dein Daimon ist eine Granate im Bett«? Das hätte ihn wohl
kaum aufgebaut. Karla seufzte und schob einen Stapel Notizen in einen Schuber.
»Lass uns beim Essen weiterreden.«
    Er nickte müde. »Er hat mir einiges zu erklären«, sagte er. »Ich
weiß nicht, wo er ist, aber er kann sich ja nicht ewig vor mir versteckt
halten.« Die matte Resignation in

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