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Last Exit

Last Exit

Titel: Last Exit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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Wenn Sie das Geld nicht innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden überweisen, verbrenne ich die zwei Bilder. Fragen Sie mal die Investoren, was die davon halten. Haben Sie was zum Schreiben?«
    »Moment.« Durch die Leitung drang ein Ächzen, als er durch das Schlafzimmer tappte. »Ja.«
    Milo rasselte den IBAN-Code herunter, den er Drummond gegeben hatte. »Zu Ihrem eigenen Besten rate ich Ihnen, sich nicht an die Presse zu wenden. Sagen Sie, dass die Bilder zufällig entdeckt wurden, von einem Passanten
oder so. Sonst wird die Hälfte der Museen, die Sie versichern, Probleme kriegen.«
    »Sehr rücksichtsvoll von Ihnen.«
    »Vierundzwanzig Stunden, verstanden? Ich rufe kein zweites Mal an. Sie hören nichts mehr von mir. Aber wenn das Geld nicht auf dem Konto eingeht, bleibt von dem Degas und dem Cézanne nur Asche übrig.«
    Er legte auf.
    Mit dem Zug gelangte er in die Stadtmitte, wo er frühstückte. Er war völlig ausgehungert, und beim Essen las er eine Ausgabe des Kurier , die jemand liegengelassen hatte. Es stand auf der ersten Seite, und das war überraschend. Sie posierte auf einem Bild, wahrscheinlich einem Schulfoto. Lächelte, als könnte ihr nie etwas Schlimmes zustoßen.
    Natürlich stand es auf der ersten Seite, wurde ihm gegen Ende seiner Mahlzeit klar. Den peinlich berührten Deutschen war inzwischen natürlich eingefallen, dass sie diesen potenziell gefährlichen Mann im Gespräch mit dem später verschwundenen Mädchen beobachtet hatten. Doch im Kurier war nur davon die Rede, dass sie beim Verlassen der Schule gesehen worden, aber auf der anderen Seite des Blocks nicht angekommen war, wo ihr Vater auf sie gewartet hatte. Kein Wort über Sebastian Hall oder Gerald Stanley.
    Vermutlich hatten sich die Deutschen mit dem Sachbearbeiter der Company abgestimmt, der sie auf Milo angesetzt hatte. Und Alan Drummond hatte sie bestimmt um Stillschweigen gebeten.
    Das Essen lag ihm schwer im Magen, als er ein paar Franken hinlegte, um die Rechnung zu begleichen. Er nahm sein Handy heraus und tippte eine SMS.
    In 24 h Kto prüfen. Bin bis Samstag offline.

    Nach dem Abschicken der Nachricht schaltete er das Telefon ab und nahm den Akku heraus, um keine sofortige Antwort zu erhalten. Auf dem Weg zum Hauptbahnhof besorgte er sich den Figaro , weil der ein Foto der verzweifelten Eltern brachte. Geblendet starrten Andrei und Rada Stanescu ins Kameralicht. Die französische Zeitung hatte eine Übersetzung von Radas öffentlichem Appell abgedruckt, der im deutschen Fernsehen gesendet worden war:
    Hiermit wende ich mich an die Entführer von Adriana. Sie können das Unrecht, das Sie ihr, meinem Mann und mir angetan haben, wiedergutmachen, wenn Sie sie sofort unversehrt freilassen. Sie müssen nicht das Risiko auf sich nehmen, zu einem Polizeirevier oder einem Postamt zu gehen. Sie können Sie in eine Kirche oder an irgendeinen Ort mit einem Münztelefon bringen und ihr ein wenig Geld geben, damit sie uns anrufen kann. Dann holen wir sie ab. Mehr müssen Sie nicht tun, um die Sache zu beenden.
    Erneut warf Milo zwei Dexedrin ein. Er wischte sich Asche vom Ärmel und bestieg den Elf-Uhr-dreißig-Zug nach Paris.

11
    Am Freitag hatte sein innerer Aufruhr nichts zu tun mit Adriana Stanescu, einem möglichen Maulwurf in der Abteilung Tourismus, der mittlerweile abgeschlossenen Erpressung des Museums (AP berichtete, dass ein Klinikmitarbeiter die zwei Bilder auf dem Rücksitz eines verlassenen Autos entdeckt hatte) oder der Tatsache, dass Alan Drummond ohne Zweifel schäumte, weil er unerreichbar war. Das alles war nichts im Vergleich zu dem unendlich langen Warten im Regen von Manhattan, während Schüler mit Rucksäcken und Handys zu zweit oder allein an ihm vorbeizogen. Diese alten Sorgen waren auf einmal völlig unbedeutend.
    Denn zum ersten Mal seit Monaten wusste er genau, warum er hier war. »Hier« war das Gelände der Columbia University gegenüber den majestätisch hohen Säulen der Avery Architectural and Fine Arts Library an einem regnerischen, aber ungewöhnlich warmen Nachmittag. Der Trenchcoat, den er sich am Morgen bei Macy’s besorgt hatte, hielt ihn trocken, aber er zitterte trotzdem. Immerhin hatte er dem Drang nach Dexedrin widerstanden. Einen benebelten Kopf konnte er heute nicht gebrauchen.
    Etwas, was ihm jetzt vielleicht geholfen hätte, war Selbstgerechtigkeit, ein weitverbreitetes Gefühl bei Männern, die von ihren Frauen verlassen worden waren. Manche Männer reagierten mit

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