Last Exit
wie all die anderen bekannten Abteilungen. Die Menschen – die amerikanischen Bürger – würden Blogs über uns schreiben und gegen unsere Existenz protestieren. Wir wollen wissen, was mit unseren Steuergeldern passiert , würden sie sagen. Und welche Rechtfertigung könnten wir vorbringen für unser abenteuerliches Budget oder die Tatsache, dass wir Kunstmuseen ausrauben, um uns in Krisenzeiten durchzuschlagen?« Er blieb stehen.
Selbst in der Dunkelheit konnte Milo erkennen, dass das Gesicht seines Chefs so rot war wie seine Hände.
»Wir wären erledigt, ohne eine Chance auf Rechtfertigung.
Und nicht dass wir eine vernünftige Rechtfertigung hätten.«
Nur das Rascheln des hohen Grases im Wind und das Dröhnen des Lincoln durchbrachen die Stille. Milo hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen, aber da gab es nichts.
Drummond schien inzwischen einfach nur laut nachzudenken über die unmittelbare und fernere Zukunft. Schließlich fuhr er fort. »Ich melde mich, sobald ich Näheres über Zubenkos andere Geschichten weiß. Sie werden sie zusammen mit einem anderen Touristen auf ihre Stichhaltigkeit überprüfen. Wer weiß, vielleicht stellt sich raus, dass wir es mit einem ukrainischen Maulwurf zu tun haben und dass die Ukrainer uns gegen die Chinesen aufhetzen wollen.«
»Oder es gibt überhaupt keinen Maulwurf.«
»Möglicherweise. Sind Computer immer noch Ihre Legende?«
»Hab ich vor einer Weile fallenlassen – konnte kein Gespräch durchhalten. Inzwischen mache ich in Versicherungen. «
»Über Computer können Sie nicht reden, aber dafür über Versicherungsstatistik?«
»Wenn es sein muss.«
Drummond ächzte amüsiert, ohne etwas zu erwidern. Als sie den Wagen erreichten, öffnete Milo seinem Chef unwillkürlich die Tür. Drummond stieg ein und blickte zu ihm auf. »Bei uns läuft es jetzt anders. Den alten Tourismus gibt es nicht mehr.«
»Das freut mich, Sir.«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Jedenfalls halte ich nichts davon, meine Mitarbeiter zu belügen. Wenn ich was von Ihnen will, sage ich es Ihnen ganz offen. Und
wenn ich will, dass Sie etwas nicht erfahren, erkläre ich Ihnen einfach, dass Sie nicht zugangsberechtigt sind. Bei mir müssen Sie nicht lange herumraten. Ich bin ein aufrichtiger Mensch.«
Das klang so ernsthaft, dass sich Milo zu einer Entgegnung hinreißen ließ. »Dann sind Sie entweder ein Idealist …«
»… oder ein Trottel«, unterbrach ihn Drummond. »Ja, hab ich alles schon gehört. Und diese Sache mit dem moldawischen Mädchen. Nicht meine Vorstellung von guter Außenpolitik, aber es war wirklich nötig.«
»Bestimmt.«
»Ich bezweifle, dass Sie das einschätzen können. Aber es ist wie bei jedem Amtswechsel. Bevor man was Neues verwirklichen kann, muss man erstmal die Fehler der alten Leitung ausbügeln.«
»Vielleicht wollen Sie mir einfach verraten, warum es nötig war.«
»Tut mir leid«, erwiderte Drummond. »Dazu sind Sie nicht zugangsberechtigt.«
Milo schloss die Tür und stieg auf der anderen Seite ein. Der Mann am Steuer fuhr über das schartige Feld Richtung Straße.
»Freut mich, Sie persönlich kennengelernt zu haben«, erklärte Drummond. »Anscheinend sind Sie schlauer, als man nach Ihrer Akte vermuten würde.«
»Sehr beruhigend zu hören, Sir.«
10
Zwei Tage später brach Milo in einer abgelegenen Straße der nördlichen Mailänder Vorstadt eine weiße Limousine auf, die in ihrer langweiligen Unauffälligkeit ideal war. Etwas abgeblätterte Farbe an der linken Seite, ein haarfeiner Riss in der Heckscheibe, war der Wagen alt genug, um nicht bedrohlich zu sein, aber doch so neu, dass er seinem Zauberring ohne Murren folgte. Dazu ein voller Tank.
Mehrere Stunden zuvor hatte er in einem riesigen OBI-Baumarkt eine Sprühdose Polyurethan gekauft, und nachdem er sich das Auto besorgt hatte, fuhr er zu einer Adresse am Viale Fulvio Testi, einem hohen Wohngebäude neben einer Esso-Tankstelle. An einer Seite ging er um den Kasten herum und kauerte sich neben die weiß getünchte Mauer. Dann öffnete er die Dose und sprühte MARIANS JAZZROOM hin. Im feuchten Zustand waren die Buchstaben leicht zu lesen, aber sobald sie trocken waren, musste man schon genau hinsehen, um etwas zu erkennen.
Nachdem er die Dose in einen Abfalleimer geworfen hatte, fuhr er nach Norden. Es war Dienstag, 18.00 Uhr.
Um acht war er in einem Hotel in dem Schweizer Ort Melide, südlich von Lugano, um sich vor der letzten Phase des Bührle-Jobs ein wenig auszuruhen. Er
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