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Last Exit

Last Exit

Titel: Last Exit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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russisches Geld, das über den SBU läuft. Moskau finanziert im Grunde die Neubelebung der UBN. Sobald die Partei einen Abgeordneten ins Parlament bringt, können die Russen den wachsenden Rassismus in England anprangern. Das wiederum wird die Wut der britischen Muslime anstacheln und zu einer tieferen Spaltung führen. Ein langfristiges Projekt. Fürs Erste bekommen Moskau und Kiew Insiderinformationen über die Labour Party, die von der UBN regelmäßig bespitzelt wird.«
    »Warum«, warf Einner mit Kennermiene ein, »soll man das Risiko eingehen, die eigenen Leute hinzuschicken, wenn einem ein Haufen Fremdenhasser die Arbeit abnimmt? «
    Die Frage war natürlich, wie man herausfinden sollte, ob diese Geschichte stimmte. Auch dafür hatte Zubenko einen Vorschlag unterbreitet, den Drummond zusammenfasste: »An jedem vorletzten Sonntag im Monat gibt Ryan Material über die Labour Party an den Vertreter des SBU weiter; er hält ihn für einen ukrainischen Geschäftsmann, der sein Interesse für Rassenreinheit teilt. Sie beschatten Ryan, und wenn er den Vertreter trifft, identifizieren Sie ihn für mich.«
    »Der Parteivorsitzende macht das persönlich?« Milo hatte seine Zweifel.
    »Vertrauen ist Mangelware bei der UBN, wie wir von Marko hören. Ryan übernimmt das lieber selbst.«
    Ryans Sonntagsprogramm war kein Geheimnis. Ein bewundernder Reporter hatte es im Dezember ausführlich geschildert, um zu belegen, was für ein beschäftigter und wichtiger Mann der Politiker war. Um acht Uhr joggte
er in Hampstead Heath. Um halb elf saß er in der vordersten Reihe bei der anglikanischen Eucharistie der Gemeinde St. John-at-Hampstead, nachdem er die Strecke auf der belebten Heath Street zu Fuß zurückgelegt hatte. Dort konnten ihm Anhänger (dünn gesät in einer Gegend voller Linker, Muslime und Juden) die Hand schütteln. Als ihn der Interviewer fragte, wie ein Mann von derart hehren Grundsätzen am Gottesdienst einer Kirche teilnehmen konnte, die im Ruf stand, einen multikulturellen und religionsübergreifenden Zusammenhalt zu fördern, hatte Ryan lächelnd geantwortet: »Meine Gemeinde ist meine Gemeinde. Das Bemühen um eine Reinigung des weißen Britannien muss auf den Straßen beginnen. «
    Danach kehrte er wie jeder achtbare Familienvater zu Tee und Zeitung nach Hause zurück, ehe er mit seinen beiden sechs und neun Jahre alten Söhnen zu der Sonntagsaktivität aufbrach, die im Lauf der Woche beschlossen worden war.
    In der vergangenen Nacht hatte sich Milo den Ablauf angesehen und überlegt, wo Ryan die Informationen am besten weitergeben konnte. Praktisch jede Station schien optimal geeignet. Der gesamte Park von Hampstead Heath war ideales Terrain für einen toten Briefkasten. Überall auf der Heath Street konnte eine Übergabe stattfinden, und es passte perfekt in eine Kirche, dass man sich unter die Besucher mischte und sich flüsternd unterhielt. Und Kinderausflüge teilten sich, wie Milo wusste, unweigerlich in Kinder auf der einen und Erwachsene auf der anderen Seite auf, und die Eltern versanken sofort in eine angeregte Unterhaltung. Ryan boten sich also zahllose Möglichkeiten für die Weitergabe von Informationen – sofern er das überhaupt vorhatte.

    Milo suchte sich eine günstige Stelle im Park und presste das Telefon ans Ohr, um in seinem Anzug den Kirchgänger zu mimen, der auch am Sonntagmorgen seinen Geschäften nachging. Er schlenderte zu einem Gebüsch und zoomte mit dem Fotohandy die Hausfassade heran. Der Tourismus mied seit langem Highendtelefone, die Diebe magnetisch anzogen, und nahm stattdessen unauffällige Anpassungen gängiger Modelle vor. Bei seinem im Laden gekauften Nokia waren zum Beispiel Kamerareichweite und Auflösung verbessert worden.
    Kurz nach acht trat Ryan in Jogginghose und Sweatshirt aus dem Haus. In flottem Schritt hob er die Knie und kreuzte nach einigen Metern auf dem Gehsteig in den Park, wo er seinen Morgenlauf begann. Keine Sicherheitskräfte, die ihm folgten.
    Die Umgebung war vorteilhaft für Milo. Der Winter hatte den Bäumen und Büschen das Laub geraubt, und das hügelige Gelände bot ihm viele natürliche Aussichtspunkte. Solange sich Ryan bewegte, war es unwahrscheinlich, dass er etwas abwarf. Alles, was auf dem Boden lag, konnte nur allzu leicht von einem Passanten aufgelesen werden. In den Pausen – von denen es trotz Ryans athletischen Gebarens viele gab – hob Milo die Kamera ans Auge, um die Hände des Mannes ins Visier zu nehmen. Zweimal stützte

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