Last Exit
kurz, dann zuckte er die Achseln. »Die Zukunft unserer Beziehung zum deutschen Geheimdienst, wenn Sie es wissen wollen. Wenn sie lebt, stehen wir im Regen. Wenn sie stirbt, öffnen sich uns die Türen.«
Die Geometrie der Flucht wurde von einer schrägen Algebra aus Ursache und Wirkung verdrängt. »Kapier ich nicht.«
»Sie müssen es auch nicht kapieren. Ich bin nicht dazu da, um Ihnen irgendwelche Zusammenhänge zu erklären. Der entscheidende Punkt ist, dass Sie mit Ihrer Handlungsweise die gesamten transatlantischen Beziehungen gefährdet haben.«
»Sie wollen sie also trotzdem umbringen?«
»Anscheinend haben Sie keine Zeitung gelesen.« Drummond machte eine Kunstpause. »Adriana Stanescus Leiche wurde vor einigen Stunden entdeckt – spät am Donnerstagabend, um genau zu sein. Ganz Europa trauert um sie, wenn man den Zeitungen glauben will. Ich persönlich kann mir nicht recht vorstellen, dass sich Europa auch nur
im Geringsten für ein moldawisches Mädchen interessiert. Aber das liegt vielleicht an mir. Ich misstraue den meisten Menschen, vor allem diesen rassistischen Hinterwäldlern auf der anderen Seite des Ozeans.«
Ein Wust von Gedanken jagte durch Milos Kopf. Es gelang ihm nicht, sich einen Überblick zu verschaffen, daher stellte er die erste Frage, die ihm einfiel: »Wer hat es getan?«
»Das würden wir alle gern wissen.«
Schließlich gelangten sie zu irgendeinem Terminal – er hatte völlig die Orientierung verloren – und parkten neben einer hochgewachsenen Gestalt, die kurz vom Scheinwerferlicht erfasst wurde. Hut, langer Mantel. Drummond sagte: »Es wird Zeit, dass Sie Ihren Babysitter treffen.« Die Männer zu beiden Seiten kletterten aus dem Explorer. Der rechts ließ die Tür offen, damit die hochgewachsene Gestalt einsteigen konnte. »Ich glaube, Sie kennen Mr. Einner bereits.«
Zuletzt hatte er James Einner vergangenen Juli in Genf gesehen. Milo hatte ihn in seinem Hotelbad angegriffen, ihn mit Isolierband gefesselt und kampfunfähig gemacht. Dabei hatte er nicht aus Wut oder Hass gehandelt, sondern aus sachlichen Erwägungen. Eigentlich mochte er James Einner sogar.
»Hallo, James.« Er lächelte.
Für James Einner jedoch stand die Erinnerung an die gemeinsame Zeit vor allem im Zeichen dieser Demütigung, und als Milo ihm die Hand entgegenstreckte, schlug ihm Einner plötzlich die Faust mitten ins Gesicht, so dass er nach hinten gegen die Tür geschleudert wurde. Schock und dann Schmerz zogen über Milos Gesicht.
»Aber, aber, James«, mahnte Drummond in mildem Ton.
Einner hob beide Hände und ließ die langen Finger tanzen. In seinen hellblauen Augen funkelte es. »Schon erledigt, Sir.«
Der Schmerz strömte in Milos Nase. Tränen standen ihm in den Augen, und er schmeckte Blut. »Feifkerl, du haft mir die Nafe gebrochen.«
Einner zog ein seidenes Taschentuch heraus und reichte es ihm lächelnd.
»Ja, das wäre also Ihr Babysitter, Sebastian. Er wird Ihnen zur Seite stehen, wenn Sie Marko Zubenkos Informationen überprüfen. Im Gegensatz zu mir hat Einner keine Schwäche für alte Säcke wie Sie. Beim ersten Zeichen von Illoyalität wird er Ihnen die Kehle durchschneiden. Sehe ich das richtig, James?«
»Vollkommen richtig, Sir.«
Das Taschentuch an die blutende Nase gepresst, blickte Milo zwischen den zwei Männern hin und her und nach vorn zum Fahrer, der sich sichtlich zusammenreißen musste, um nicht zu lachen. Als er den Kopf zurücklegte, um seine Kleider nicht zu beflecken, packte ihn der Hass. Nicht auf Drummond oder James Einner, sondern wieder einmal auf Jewgeni Primakow, der sich vor seiner elterlichen Verantwortung gedrückt hatte, sobald sie ihm zur Last geworden waren. Jewgenis Treulosigkeit war nichts Neues, aber dadurch wurde sie nicht weniger furchtbar.
14
Sie saßen sieben Reihen auseinander in der Touristenklasse, ein weiteres Zeichen für die schlechte Haushaltssituation der Abteilung. James Einner machte einen zufriedenen Eindruck in seinem nicht besonders billigen Nadelstreifenanzug der Marke Tom Ford (eine lächerliche Ausgabe, da die meisten Touristen ihre Kleider schon nach kurzem Gebrauch wegwarfen), während Milo in einem schlecht sitzenden, steifen italienischen Anzug steckte. Drummond hatte richtig vorhergesehen, dass Milos Sachen aus Zürich nicht mehr präsentabel sein würden, sobald er den JFK verließ – Blutflecken bei der Passkontrolle kamen in keinem Land gut an –, und hatte ihm daher den Anzug und eine gefüllte
Weitere Kostenlose Bücher