Last Exit
erfahren. Schließlich wurde ihm aber klar, dass sie nicht antworten wollte.
Bei ihrer Ankunft in der Pullacher Dienststelle ließ sie den Wagen langsam über den Parkplatz rollen. Da – sein leuchtend roter MINI. Langsam humpelte sie zum Haus und leerte den Inhalt ihrer Taschen in einen kleinen Plastikkorb, bevor sie durch den Metalldetektor schritt. Es piepste, und die Posten entdeckten mit ihrem Zauberstab einen Kugelschreiber, der durch ein Loch in der Tasche ins Futter ihres Steppmantels gerutscht war. Als ihr der eine die Metallgegenstände zurückgeben wollte, bat sie ihn darum, den Korb eine Weile behalten zu dürfen. Mit einem schiefen Lächeln erklärte sich der Wachmann dazu bereit.
Sie stellte den Korb auf ihren Schreibtisch und rief im ersten Stock an, noch bevor sie sich hingesetzt hatte. Wertmüller war im Haus, wie sie erfuhr, sprach aber gerade
an einem anderen Apparat. Sie ließ ihm bestellen, dass er sie möglichst bald zurückrufen solle.
Sie wartete und merkte, dass sie zu nichts anderem imstande war. Wie ferngesteuert schaltete sie den Computer ein, doch sie saß noch immer nicht. Als die Benutzeroberfläche erschien, machte sie sich nicht einmal die Mühe, nach ihren E-Mails zu sehen, sondern starrte nur blind auf das künstlerische Blumenfoto, das den Hintergrund ihrer täglichen Arbeit bildete. Schließlich klingelte das Telefon.
»Sie wollten mich sprechen, Erika?«
»Draußen, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
»Jetzt?«
»Falls möglich.«
Er überlegte. »Aber nicht zu lang. Nachher hab ich eine Telefonkonferenz mit Berlin.«
»Aber eine kleine Zigarette können Sie doch vertragen.«
»Sicher, Erika.«
Sie kehrte zu den Eingangswachen zurück, die mit der Rückgabe des Plastikkorbs rechneten, aber sie hatte ihn nicht mitgebracht. Einen Meter vor ihnen stoppte sie und wandte sich nach hinten zum Gang. Als Wertmüller auftauchte und das Ende einer Zigarette gegen den Fingerknöchel klopfte, bewegten sie sich unruhig, weil sie Scherereien befürchteten.
»Hallo, Erika.«
»Theodor.« Sie wandte sich an die Posten und deutete auf den Metalldetektor. »Ist er noch an?«
Sie nickten – natürlich war er eingeschaltet, wie es der Vorschrift entsprach.
»Gut.« Als sie durchging, flackerte über ihr ein grünes Licht. »Haben Sie das gesehen, Theodor?«
Stirnrunzelnd machte Wertmüller einen Bogen um das Gerät. »Sie sind wirklich ein bisschen schrullig.«
Lächelnd trat sie durch die Tür, die er ihr aufhielt.
Als sie die Straße überquerten und auf den Park zusteuerten, begann Wertmüller von der Party im Konsulat zu erzählen. Ein amerikanischer Musiker war dort aufgetreten, der dank eines Fulbright-Stipendiums in Deutschland war, um seine Forschungen zu schwäbischer Volksmusik zu vertiefen. Und genau das hatte er zum Besten gegeben. »Unfassbar! So was würde sich doch sowieso niemand anhören, aber können Sie sich vorstellen, wie das klingt, wenn es in so einem breiten Akzent aus dem mittleren Westen der USA gesungen wird? Meine Güte, was denken die sich eigentlich dabei? Nächstes Mal besorge ich Ihnen auch eine Einladung, so was glaubt man nur, wenn man es mit eigenen Ohren gehört hat.«
Es war seine Freundlichkeit, die ihr an die Nieren ging. Diese katzenhafte Kameraderie war Wertmüllers beste Waffe. Sie machte jeden auf hinterhältige Weise zum Partner seiner weltläufigen Art. Sie fühlte sich als Komplizin bei allem, was er tat, und erst jetzt verstand sie ganz, was das bedeutete.
Er zündete sich eine Zigarette an, als sie sich auf der Bank von gestern niederließ, dann setzte er sich neben sie. »So.«
»Sie wollen, dass er schweigt«, erklärte sie.
»Bitte?«
»Sie wollen, dass Milo Weaver weggeschickt wird, damit er nicht die Lücken in Adriana Stanescus Geschichte schließt. Sie wollen … ja.« Gerade noch rechtzeitig unterdrückte sie ein Lächeln. Die Idee hatte sie schon vorher gestreift, doch jetzt war sie sich sicher. »Erpressung, nehme ich an. Das steckt ja meistens hinter solchen Sachen.«
»Es ist wohl noch etwas früh, Erika. Ich versteh kein Wort von dem, was Sie da sagen.«
»Sie haben eine Geschichte. Eine bekannte Geschichte. Die Gerüchteküche ist voll von Theodor Wertmüllers sexuellen Abenteuern. Und nicht alles davon war legal, oder?«
Er grinste um die Zigarette herum. »Bitte, Erika! Sie machen mich ganz verlegen.«
»Ein Haus in Berlin. Sehr exklusiv. Absolute Diskretion war Teil des Preises. Sie waren nicht der Einzige,
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