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Last Exit

Last Exit

Titel: Last Exit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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sollte oder nicht. Schließlich erklärte sie Oskar, warum sie sich dagegen entschieden hatte: »Der Mann erwartet bestimmt einen kleinen Morgenplausch. Und ich wette, dass er sich über Nacht was Schlaues hat einfallen lassen. Irgendeine Information, mit der er mich ködert, vielleicht etwas über unsere Operationen. Irgendwas, das nach Entgegenkommen aussieht. Und wenn ich der Sache nachgehe, werden seine Leute hellhörig. Also steige ich jetzt nicht hinunter. Ich will nicht in Versuchung kommen.«
    »Was machen wir mit ihm?«
    »Er soll sich Videos anschauen, bis ich wieder da bin. Ich möchte, dass er sich an jedes Bild erinnert.«
    Nachdem Oskar diese Anweisung an Heinrich und Gustav weitergegeben hatte, fuhr Erika ihn zu seinem Auto im Perlacher Forst, und sie erschienen in einem Abstand von fünfzehn Minuten zur Arbeit.

    Alles, was sie im Büro machte, kam ihr wie Beschäftigungstherapie vor. Selbst die Telefonkonferenz am Mittag mit Bernd Hesse und Innenminister Wolfgang Schäuble. Dabei ging es um zwei Themen: die Meldung vom Sonntag über Fidel Castros Rückzug von der Macht und die umstrittenen Mohammed-Karikaturen in der dänischen Tageszeitung Jyllands-Posten , die nach Überzeugung des Ministers auch in Deutschland abgedruckt werden sollten – eine Frage, die in Erika nicht mehr als zwiespältiges Desinteresse weckte.
    Das Einzige, was Emotionen auslöste, war die Mitteilung aus der Telefonzentrale, dass Andrei Stanescu in der Leitung war. Sie bat darum, ihm auszurichten, dass sie außer Haus sei, und ihn in Zukunft an Dieter Reich zu verweisen. Wieder geriet sie ins Stottern, und die Telefonistin musste nachfragen, weil sie den letzten Teil nicht verstanden hatte.
    Sie hatte Oskar vorausgeschickt, damit er im Wald auf sie wartete, und traf bereits Anstalten zum Aufbruch, als sie plötzlich eine Stimme hörte. »Erika, hätten Sie Zeit für einen kleinen Spaziergang mit mir?«
    Zu ihrer Überraschung stand Teddy Wertmüller in der Tür. Er hatte sich dazu herabgelassen, sie in ihrem Büro aufzusuchen, statt sie zu sich hinaufzuzitieren. Die hohe Gestalt in einen schwarzen Mantel gehüllt, wirkte er elegant wie immer, aber auch müde. »Jetzt gleich?«
    »Ich wäre Ihnen sehr verbunden. In einer Stunde muss ich zu einem Empfang.«
    »Was für einen Empfang?«
    »Im amerikanischen Konsulat, und sie mögen es nicht, wenn man zu spät kommt. Nehmen Sie sich Ihren Mantel. Ich brauche dringend eine Zigarette.«
    Er wartete geduldig, während sie die vor ihr liegende
Mappe schloss und sich mühsam hochstemmte. Sein Blick wanderte durchs Zimmer. »Oskar ist nicht da?«
    »Spricht gerade mit ein paar neuen Bewerbern.«
    »Was Verheißungsvolles dabei?«
    Achselzuckend schlüpfte sie in den riesigen Steppmantel, der ihre Gestalt umhüllte. »Kann man noch nicht sagen.«
    »So ist es immer.« Mit dieser sinnlosen Bemerkung trat er beiseite, damit sie vorausgehen konnte. Auf dem Weg durch den langen Korridor blieb er hinter ihr, und sie hatte das beunruhigende Gefühl, beschattet zu werden. »Es dauert bestimmt nur ein paar Minuten«, sagte er.
    »Kein Problem.«
    Sie nickten den Wachposten bei den Metalldetektoren zu und kreuzten über die leere Straße in einen kleinen Park am Rand des Geländes. Zwischen den Bäumen leuchteten Laternen in der frühabendlichen Dämmerung. Kaum im Park, war Erika außer Atem, und er schlug vor, sich auf eine Bank zu setzen. Sie wurde auf äußerst unangenehme Weise an ihr Gewicht erinnert, als die Bank ächzend einsackte und Wertmüller am entfernten Ende Platz nehmen musste, um nicht zu ihr hinüberzurutschen.
    »So«, bemerkte sie.
    »Ja.« Wertmüller spähte über das schattige Gelände. Er leckte sich über die Zähne und zog eine Schachtel Marlboro heraus. »Netter Trick, wie Sie Dieter in die Enge getrieben haben, aber ich finde, so sollte das in unserem Haus nicht laufen.«
    »Nein?«
    »Nein. Und ich möchte, dass Sie den Amerikaner zurückgeben. «
    »Welchen Amerikaner?«
    In aller Ruhe zündete er sich eine Zigarette an. »Milo Weaver.«

    »Ach, Milo Weaver«, entgegnete sie. »Keine Ahnung, wo der ist.«
    Wertmüller spitzte die Lippen und gab ein enttäuschtes Schmatzen von sich. »Bitte, Erika. Er ist in Ihrem Keller. Wahrscheinlich kümmert sich Oskar gerade um ihn. Ich kann nur hoffen, dass er dem Mann keinen Schaden zufügt – das tut er doch nicht, oder?«
    Erika ließ sich mit der Antwort Zeit. War ihr etwas entschlüpft? Vielleicht hatten ein leiser

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