Last Lecture - die Lehren meines Lebens
ganzen Inhalt auf den Boden.
Als er ging, sahen wir ihm hinterher. Dann hörten wir ihn zu einem Assistenten sagen: »Der vorderen Verteidigungslinie kannst du Wasser geben, die haben okay gespielt.«
Aber lasst mich eines klarstellen: Coach Graham hätte niemals ein Kind in Gefahr gebracht. Er machte dieses harte Konditionstraining auch, weil er wusste, dass er die Verletzungsgefahr damit reduzieren konnte. Und was das besagte Spiel betrifft: Es war ein kühler Tag gewesen und unser Run auf den Wassereimer eher eine Balgerei als das dringende Verlangen von dehydrierten Jungs, etwas zu trinken.
Trotzdem, würde so etwas heute vorkommen, würden die Eltern am Spielfeldrand augenblicklich ihre Handys herausholen und den Verbandsvorsitzenden oder gleich ihren Anwalt anrufen.
Es betrübt mich, dass Kinder heute oft so verhätschelt werden. Ich versuche mich an das Gefühl zu erinnern, das ich bei dieser Halbzeitbalgerei hatte: Ja, ich war durstig gewesen, aber viel stärker noch war das Gefühl der Schande. Wir hatten Coach Graham enttäuscht, und er ließ uns das auf eine Weise wissen, die keiner von uns je vergessen sollte. Er hatte recht damit gehabt. Wir hatten uns beim Spurt auf den Wassereimer mehr verausgabt als während
des ganzen verdammten Spiels. Und wenn man von ihm zusammengestaucht wurde, verfehlte das nie seine Wirkung. In der zweiten Halbzeit kamen wir aufs Spielfeld zurück und gaben alles.
Ich habe Coach Graham seit meinen Teenagerzeiten nicht mehr gesehen, aber vor meinem geistigen Auge taucht er immer wieder mal auf und zwingt mich, härter zu arbeiten, wenn ich aufgeben will, oder bringt mich dazu, etwas besser zu machen. Er versorgte mich mit einer Art Feedback-Schleife, die ich mein Leben lang abspielen kann.
Wenn wir unsere Kinder zum Vereinssport schicken - Football, Fußball, Schwimmen, was auch immer -, dann tun wir das meist nicht, weil wir uns inniglich wünschen, dass sie einen Sport von der Pike auf lernen.
In Wirklichkeit wollen wir, dass ihnen etwas weit Wichtigeres beigebracht wird, nämlich Teamwork, Ausdauer, Fairness, der Lohn des Schweißes und die Fähigkeit, mit Missgeschicken und Fehlschlägen umzugehen. Diese Art des indirekten Lernens ist das, was man auch als einen »Headfake« bezeichnet, als ein Täuschungsmanöver also, das nicht so leicht zu durchschauen ist.
Es gibt zwei Arten von Headfakes. Im ersten Fall ist es die wörtlich gemeinte »Kopftäuschung«: Ein Spieler auf dem Platz dreht den Kopf absichtlich in die Richtung, von der du glauben sollst, er würde sie einschlagen, dann sprintet er in die entgegengesetzte los. Er führt dich wie ein Zauberer in die Irre. Nicht umsonst brachte uns Coach Graham bei, stur auf den Bauch des Gegners zu starren: »Sein Körper geht in die Richtung, in die sein Bauchnabel zeigt.«
Die zweite Art von Headfake ist die wichtigere, weil sie Menschen Dinge lehrt, ohne dass sie überhaupt merken, was sie eigentlich lernen. Ein gekonnter Headfaker verfolgt das Ziel, jemandem im Zuge irgendeiner Beschäftigung insgeheim etwas ganz anderes beizubringen - nämlich das, woran es diesem Jemand seiner Meinung nach wirklich noch mangelt.
Diese Art des Headfake-Lernens ist absolut lebensnotwendig. Coach Graham war ein Meister dieses Fachs.
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Du findest mich unter »V«
Ich lebe im Computerzeitalter, und ich liebe diese Welt aus Pixel, Multi-Screen Work Stations und Information Superhighways! Ich habe sie mir schon vor Urzeiten zu eigen gemacht und kann mir wirklich problemlos eine Welt ohne Papier vorstellen.
Obwohl ich in einer wahrlich anderen Welt aufwuchs.
Als ich im Jahr 1960 geboren wurde, war Papier das Medium, auf dem alles Wissen aufgezeichnet war. In den Sechziger- und Siebzigerjahren betete meine ganze Familie die World Book Encyclopedia an - mit all ihren Bildern, Landkarten, den Flaggen aus aller Herren Länder, den praktischen Seitenkolumnen, in denen die Bevölkerungszahlen, durchschnittlichen Höhenlagen und Staatssymbole aller Länder verzeichnet waren.
Ich habe nicht jedes Wort in jedem Band des World Book gelesen, aber ich tat mein Bestes. Es faszinierte mich, wie es zusammengestellt worden war. Wer hatte diesen Artikel über den Ameisenbär geschrieben? Wie war das wohl, wenn ein World-Book -Herausgeber bei einem anrief und sagte: »Sie kennen Ameisenbären besser als jeder andere. Würden Sie einen Eintrag für uns schreiben?« Dann der Z-Band. Wer war der Mensch, den man für einen so hervorragenden
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