Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz
Glaser.
«Er ist einer der Benediktiner von Heiligenberg, Pater Erminold Eichfelder. Den Wallfahrtsort werden Sie nicht kennen.»
«Heiligenberg liegt nicht in meiner Zuständigkeit.» «Jedenfalls», setzte Konrad seine Bekenntnisse fort, «war ihr dieser Pater ein Ratgeber und hat ihr wohl sehr zugeraten, mich zu heiraten und zu allem offen zu stehen. Ich denke, er war kein schlechter Ratgeber. Wenn ich mit ihm auch gesprochen hätte, ich hätte vielleicht nicht so gezögert. Und ich hätte Franziskas Wunsch entsprochen und mich an dem Abend mit ihr getroffen, anstatt sie so brüsk wegen eines Vortrags zurückzuweisen. Was bedeutet so ein Vortrag schon? – Aber das ist uneinholbar, so uneinholbar, daß ich nicht mal trauern kann.»
«Respekt», flüsterte der Kommissar nach Sekunden des Schweigens, «eine beeindruckende Rede. Aber das beeinflußt meine Schlußfolgerungen zu dem Fall nicht im geringsten. Der wird mir von Mal zu Mal klarer.» «Non liquet – nichts ist klar», mischte sich Laubmann ein. Er hatte sich eher abseits gehalten, in der Sackgasse herumgeschnüffelt und nur mit halbem Ohr zugehört. Er verfolgte sozusagen seine eigenen Interessen. «Falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist, aber eines der Häuser in der Seitengasse steht leer. Darauf sollten Sie bei Gelegenheit einen Blick werfen. Im übrigen», fügte er schwärmerisch hinzu, «strahlt die Gartenmauer besonders in der Dunkelheit etwas Teuflisch-Romantisches aus, finden Sie nicht? Wie bei Meister Cardillac, dem Pariser Goldschmied in Hoffmanns ‹Fräulein von Scuderi ›. Als würde E.T.A. Hoffmanns Zeit in Bamberg wieder lebendig.»
Mittlerweile hatte es stark zu regnen begonnen. Philipp Laubmann gab ein beinah burleskes Bild ab. Vorausahnend hatte er einen wasserdichten Anorak angezogen, allerdings ein aus der Mode gekommenes Modell, in einem matten Bräunlichgrün gehalten und mit zu kurzen Ärmeln. Philipp hatte in den letzten Jahren zugenommen, so daß er in dem Anorak aussah wie hineingestopft. Zudem hatte er die Kapuze übergestülpt und um sein Gesicht herum festgezurrt, über das ihm die Wassertropfen rannen.
Während Glaser mit seinem dünneren Mantel im Regen stand, hatte der Professor einen großen schwarzfarbenen Schirm mit braunem Holzgriff bei sich, worunter zwei Personen ausreichend Platz gefunden hätten. Er hatte ihn einmal für sich und seine Haushälterin gekauft und derzeit vorwiegend als Waffe gegen einen befürchteten Angriff dabei. Glaser hätte sogleich den freien Platz unter dem Schirm eingenommen, hätte es ihm der Professor nur angeboten. Der sah jedoch keine Veranlassung dazu. Der Kommissar hingegen wollte ihn aus Stolz nicht darum bitten. XIV
XIV
Laubmann mochte im laufenden Wintersemester den Donnerstagmorgen normalerweise nicht. Um acht Uhr c.t. war eine einstündige Vorlesung angesetzt, die er zu halten hatte. Seine einzige.Als ein in der Mehrzahl der Nächte von Unruhe beherrschter Schläfer, war Philipp der Schlaf eher suspekt. Doch zu frühes Aufstehen behagte ihm auch nicht, gerade wenn ihm der Nachtschlaf nicht die ersehnte Ruhe bringen konnte. Nach dieser einen Stunde Vorlesung fühlte er sich daher jedesmal richtig ausgelaugt. Sein Rhythmus war durcheinander, und er konnte danach nichts Gescheites beginnen, in der Regel bis zum Mittagessen in der Mensa. An diesem Donnerstag war das anders, denn er hatte sich vorgenommen, gleich nach der Vorlesung den Fall betreffende Nachforschungen anzustellen. Philipp Laubmann suchte das Liegenschaftsamt des Bistums auf, das wie die Kirchenbehörde insgesamt im Dombezirk zu finden war. Ein Sekretär eskortierte ihn durch einen der hohen, lichten Räume und über knarrende Dielen hin zur Amtsleiterin, Frau Theresia Schmitthans-Jungbauer, die hinter einer Rokokoflügeltür zwischen Aktenschränken und Computern ihre Tätigkeit ausübte.
Ihr Vorgesetzter war niemand anders als Prälat Albert Glöcklein, der als angesehener Kirchenmann über mehrere katholische Dienststellen und Verbände die Aufsicht führte. Vielleicht wünschte er sich sogar insgeheim, am Ende seiner Laufbahn und als deren Krönung Generalvikar und damit in einem umfassenderen Sinne Stellvertreter des Bischofs zu werden; denn in der Kirche kann man auch mit 60 noch eine schöne Karriere beginnen, malte Laubmann sich aus.
«Ihr Name ist mir durch Herrn Prälaten Glöcklein schon bekannt», begrüßte Theresia Schmitthans-Jungbauer Dr.Laubmann freundlich. Sie hatte einen aufgeschlossenen
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