Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz
Zeitungen.» Laubmann hatte die Lektüre nachgeholt.
«Sie wollen mir doch nicht allen Ernstes einreden, Sie hätten's nur aus der Zeitung; ich denke mal, Sie vermuten etwas Universitäts-Internes dahinter.»
Philipp Laubmann überhörte die Anspielung, schließlich war er hergekommen, um selbst etwas zu erfahren. «Wie verhält sich das denn jetzt mit dem Rosenkranz?» griff Kommissar Glaser den anfänglichen Gedanken wieder auf.
Und Laubmann führte den Gedanken in seiner Art fort: «Ja, die Rose, das Symbol der Zuneigung, der Liebe, auch der Verschwiegenheit einst und der Jungfräulichkeit, rot wie das Blut, siebenblättrig in der Alchimie – ein vielfältiges Zeichen eben. Da kann sich jeder seinen Reim drauf machen, wie er mag. Aber ich hab Sie unterbrochen; was wollten Sie sagen?»
«Nun mal sachlicher», merkte der Kommissar mit unbewegtem Gesichtsausdruck an, «erkennen Sie diesen Rosenkranz?»
«Wenn Sie mich so direkt fragen, muß ich das verneinen.» Und den Rosenkranz mit den Fingern berührend: «Eine ziemlich einfache Ausführung; nichts Wertvolles. Ob er von einem Priester gesegnet wurde, oder wie man's landläufig nennt: geweiht wurde, sieht man ihm nicht an. – Ist der denn wichtig?» Laubmann bemühte sich, seine Frage recht beiläufig zu stellen.
«Davon gehen wir aus. Oder glauben Sie an einen Zufall, wenn man einen solchen Gegenstand in der Nähe einer Toten entdeckt, nämlich am Ausgangspunkt ihres Sturzes?»
«Das ist keine Glaubensfrage. Und warum ist er zerrissen?»
«Das ist die Frage. Vielleicht hat es was mit dem Vorfall zu tun. Sieht nach Gewalteinwirkung aus.» Dietmar Glaser legte den Rosenkranz – aus dunklen Holzperlen über einer silbern scheinenden Kette – beiseite, wobei er zufrieden lächelte: «Das hab ich mir schon gedacht, daß Sie bestens über den Unfall informiert sind.»
«Wie gesagt, nur was in den Zeitungen gestanden hat. Eine Franziska R. soll das Opfer gewesen sein, hab ich gelesen.» Der Kommissar sprach nahezu vertraulich weiter, sich ungezwungener gebend, um wiederum Dr. Laubmann einiges zu entlocken. «Wir kennen natürlich den Namen der Toten: Franziska Ruhland, 37 Jahre alt und ledig. – Sagt Ihnen der Name etwas?»
«Nicht so direkt … nein.» Philipp fühlte sich verpflichtet, jetzt seinen Mund zu halten und notgedrungen zu lügen, weil er Erich Konrad am Vorabend sein Wort gegeben hatte. Er verkrampfte sich etwas – richtig lügen hatte er noch nie gekonnt.
Glaser warf Philipp Laubmann einen prüfenden Blick zu, dann zog er ein Foto aus seinen Unterlagen hervor. «Ich geh davon aus, daß Ihnen dieser Herr auf dem Bild bekannt sein dürfte. Offensichtlich ein Priester, seiner Kleidung nach zu urteilen. Und ich werde das Gefühl nicht los, ihm bereits irgendwo in der Universität begegnet zu sein.» «Ich fürchte, das ist Professor Erich Konrad», bestätigte Laubmann. «Er ist Ordinarius für Christliche Soziallehre, an der Theologischen Fakultät.»
«Ordinarius?» Der Begriff war dem Kommissar in seiner rechtlichen Bedeutung nicht geläufig.
Philipp antwortete sachlich: «Die Bezeichnung für einen Lehrstuhlinhaber an einer Hochschule. Wußten Sie, daß auch Oberhirten so genannt werden können, Päpste, Äbte, Bischöfe? Dabei können trotz dieser Gemeinsamkeit Professoren und Bischöfe theologisch sehr unterschiedliche Meinungen vertreten; sollte man nicht glauben.» «Sollte man nicht», unterbrach ihn Glaser lapidar. «Sie sollten aber wissen, daß wir auf das Bild dieses Herrn, dessen Namen Sie mir eben genannt haben, in der Handtasche der Toten, Frau Ruhland, gestoßen sind. Finden Sie das nicht merkwürdig?»
Da hab ich mich auf was eingelassen, dachte Laubmann, denn erneut mußte er sich dumm stellen: «Meine Güte, manchmal haben auch Theologieprofessoren Bewunderer. Wir alle halten Vorträge und wissen nicht, wie sensibel das Publikum auf unsere Thesen reagiert. Es geht schließlich um's Religiöse. Ich möchte nicht wissen, in wie vielen Handtaschen sich mein Konterfei befindet», sagte er leichthin. Der Kommissar hielt diese Erklärung für unsinnig. «Und wenn wir es mit einem wirklich sensiblen Vorgang zu tun hätten? Gibt es da nicht … wie heißt das? … das Zölibat?» «Den! Den Zölibat; der Zölibat ist männlich, theologisch gesehen: die Ehelosigkeit von Priestern; jedenfalls von Männern offiziell verkündet, denn Ehelosigkeit und Keuschheit können sehr wohl auch von Frauen gelebt werden.» «Professor Konrad ist
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