Laubmann 2 - Bärenzwinger
den Wald verlassen hatten.
«Ursprünglich stamme ich ja aus dem Steigerwald, zu dem die Babenburg auch gehört, und bin Burgberge und Burgwälder gewohnt», erzählte Barbara Burgerroth erleichtert. «Allerdings aus der Nähe von Schloß Schwarzenberg. – Dort gibt es übrigens auch eine Treppe im Wald.»
«Die Babenburg geht, wie der Name bereits sagt, auf das Geschlecht der Babenberger zurück.» Grunde meinte, die Historie erklären zu müssen, und war selbst diesmal stehengeblieben.
«Das mit den Babenbergern ist nicht gesichert», bemerkte Dr. Böhmer mit seiner klangvollen Stimme.
«Daß die Geschichte der Babenburg schon im zehnten oder elften Jahrhundert begonnen haben soll, halte ich für sehr beachtlich», kommentierte Professor Meister, von neuem begeistert.
«Im zwölften Jahrhundert wird sie erstmals urkundlich erwähnt!» fügte Professor Bach hinzu, während er den Rauch inhalierte.
«Jetzt gehört sie doch der Kirche?» Frau Schanz-Haberberger lag die aktuelle Wahrheit am Herzen.
«Bevor sie vor etlichen Jahren von der Bamberger Erzdiözese zur Einrichtung einer Tagungsstätte gekauft wurde, war sie fast zweihundert Jahre lang im Besitz der Grafen von Hohenfranken.» Heribert Bach hatte sich am meisten mit der Burggeschichte auseinandergesetzt, die in Kurzfassung auch in der offiziellen Einladung zu finden war. «Erst war sie im Besitz der Fürstbischöfe, verfiel aber zusehends. 1801 hat dann der Leibarzt des damaligen Fürstbischofs, Dr. Adalbert Friedrich Marcus, die Burgruine erworben, und dessen Erben haben sie 1816 an die besagten Grafen von Hohenfranken veräußert.»
«Das heißt, die Kirche hat es verstanden, sich ihren alten Besitz aufs neue zu verschaffen», bemerkte Christa Schanz-Haberberger.
Fast einträchtig disputierend kamen sie am Torhaus an, in dem wie zum Schutz vor ungebetenen Gästen zwei nicht mehr funktionstüchtige Kanonen aufgestellt waren. Im Gegensatz dazu machten die Spaziergänger nach außen hin den Eindruck einer fidelen Runde friedfertiger Wissenschaftler, die einen vergnüglichen Tagesausflug hinter sich hatte.
«Sind diesmal wenigstens alle mitgekommen? Nicht, daß schon wieder jemand fehlt», fragte Helmuth Grunde und hätte am liebsten «Durchzählen!» befohlen, ließ es jedoch bleiben.
***
Neugierig auf das, was über den Verbleib von Professor Forster herauskäme, gingen Laubmann und der Kastellan vom Keller aus in die Eingangshalle des Hauptgebäudes, wo sich die Rezeption für die Tagungsgäste befand. Röttinger hatte sich verzogen. Hinter einer altmodisch geschwungenen, schwarz und weiß gemusterten Theke im Stil der 1950er Jahre – ein Relikt eines aufgegebenen kirchlichen Veranstaltungssaals in der Stadt – wurden sie von Gisela Merten, der Tochter des Kastellans, empfangen.
Mit ihrem offenen und aufmerksamen Blick, ihrer zierlichen Nase, ihren schwarzbraunen, relativ kurzen und nach hinten gebürsteten Haaren und ihrer schlanken Figur erachtete Philipp Laubmann sie als einen echten Anziehungspunkt innerhalb dieser theologischen Gesellschaft. Bei der ersten Vorstellung des Tagungsortes gestern war sie Laubmann bereits besonders aufgefallen.
Sie hatte nach dem Abitur eine Ausbildung zur Projektleiterin und Eventmanagerin abgeschlossen und vor einem Jahr, mit 26, die Organisation für die auf der Babenburg stattfindenden Tagungen, innerkirchlichen Treffen und sonstigen Veranstaltungen übernommen. Sie war auch für die praktischen Arrangements zuständig, hatte also Mikrophone und Lautsprecher zu plazieren oder für Overheadprojektoren, Laptops, Schautafeln, Papier, Schreibmaterial, Arbeitsmappen mit Info-Blättern und ähnliches zu sorgen.
Darüber hinaus konnte man an der Rezeption, sozusagen außerhalb der offiziellen Essenszeiten, Süßigkeiten, Getränke und kleinere Speisen erwerben, die Gisela Merten auf Wunsch sogar servierte, sowie Ansichtskarten, Heiligenbilder, Kerzen, Rosenkränze, Prospekte, Wanderkarten, die lokale Tageszeitung und einige Hefte und Bücher zur Burggeschichte oder zu den jeweiligen Tagungsthemen. So mancher Dozent brachte ganze Stapel seiner Werke mit. Die Programme der Symphoniker oder des Stadttheaters sowie anderer Orchester und Bühnen lagen kostenlos aus. Wer eine persönliche Führung in der Burg organisiert wünschte, war bei Frau Merten ebenfalls an der richtigen Adresse.
Laubmann hatte sich diese Rezeptionstheke gleich genau angesehen. Vor allem die Teebeutel und Bonbons hatten es ihm angetan. Nun
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