Laubmann 2 - Bärenzwinger
Freund im Kapuzinerkloster Gangolfsberg, das nicht allzu weit entfernt im Steigerwald lag. Und da Laubmann selber mit Mönchen des Klosters befreundet war, hatte er dort schon manche Geschichte über ihn aufschnappen können.
Er verstand es zudem, seine Informanten so lange zu löchern, bis sie geradezu dankbar ihr Wissen preisgaben. So wußte er zum Beispiel über Forster, daß seine Vorfahren im Hohenlohischen beheimatet und Kunstschmiede gewesen waren. Sein Vater war Ende der 1920er Jahre als Exportkaufmann nach Rio de Janeiro gegangen und hatte dort, wie es hieß, eine Portugiesin geheiratet.
Der 1937 in Rio geborene Alfonso Forster hatte es immer als ein Geschenk des Himmels erachtet, zweisprachig aufgewachsen zu sein. Deshalb hatte es ihn gereizt, seine theologischen Studien in Deutschland, zudem nur unweit der Heimat seiner Vorfahren, zu vervollständigen. Das Angebot, als Dozent am moraltheologischen Lehrstuhl der damaligen Gesamthochschule in Bamberg tätig zu sein, hatte er gerne angenommen. Zwischen 1973 und
1977 hatte er sich bei Professor Ernst Wittkopp, dem Vorvorgänger Hanauers, habilitiert.
Forster hatte es damals bedauert, keine näheren Verwandten mehr in Deutschland zu haben, und dies war für ihn einer der Gründe gewesen, schließlich einen Ruf als Professor an die Philosophisch-Theologische Hochschule der Franziskaner in Petrópolis anzunehmen. Obwohl seine Eltern zu jener Zeit schon tot waren, hatte er es doch wie einen Fingerzeig Gottes empfunden, in Brasilien seine theologische Laufbahn fortsetzen zu dürfen. In den folgenden Jahrzehnten hatte er sich mit seinen Forschungen und Veröffentlichungen nicht nur unter Fachkollegen ein hohes Ansehen erworben.
«Sie arbeiten also am Lehrstuhl des Kollegen Hanauer», stellte Forster anerkennend fest und sah Philipp Laubmann aus graublauen Augen geradezu freundschaftlich an.
«Er hat mir schon oft von Ihnen erzählt», antwortete Laubmann, und vor lauter Bewunderung für den berühmten Ehrengast fiel ihm gar nichts Gescheites mehr ein. Er blickte ihn nur an: die Lachfalten in den Augenwinkeln, das gebräunte ebenmäßige Gesicht mit der fein geschnittenen schmalen Nase, die längeren ergrauten Haare, die ihm ein wenig gewellt in den Nacken fielen und einmal schwarz gewesen sein mußten, der trotz seines Alters federnde Gang, die Lesebrille an einem Lederband um den Hals oder die legere Kleidung, eine dunkelblaue Cordhose und ein dunkelblau kariertes Hemd aus grobem Stoff. Forster schien so gar keine aufgesetzten Allüren zu haben wie der eine oder andere der akademischen Tagungsteilnehmer. Die Ärmel seines Hemdes hatte er trotz der Kälte einfach hochgeschlagen. Und nur die dunklen Ringe um die Augen ließen eine gewisse körperliche Überlastung erahnen.
«Sie sehen mich so erstaunt an?»
Laubmann erschrak und griff zu einer Notlüge: «Ich habe mir gerade überlegt, ob Sie Leonardo Boff wohl persönlich kennen.»
«Boff kenne ich recht gut.» Forster sprach langsam und mit einem brummigen Unterton. – «Wir waren Kollegen an der Hochschule drüben und konnten bestens miteinander umgehen», fügte er nach einer Weile erklärend hinzu und schritt gemeinsam mit Laubmann bedächtig durch den Innenhof des Palas. «Theologisch waren wir allerdings nicht immer einer Meinung, vor allem hinsichtlich der oft geschmähten Befreiungstheologie.»
Forster genoß sichtlich die frische Luft. Hin und wieder fegte ein Windstoß in den Hof hinein. Auf dem Burgberg ging anscheinend allzeit Wind. An einem Seitenflügel hatte sich starker, immergrüner Efeu ausgebreitet; davor, auf dem Boden, hielt sich ein dünnes Schneefeld. Aus einem der Küchenfenster grüßte Sophia Merten, die Frau des Kastellans, als wolle sie auf sich aufmerksam machen. Sie hatte sich am Vortag zusammen mit ihrem Mann und ihrer Tochter als «Leitungsteam» der Tagungsstätte vorgestellt.
«Ich halte die Theologie der Befreiung», meinte Forster, «kirchenpolitisch für bedeutsam und wichtig; die Gedanken der Basisgemeinden dürfen jedoch weder die Aussagen Jesu noch die theologische Wissenschaft ersetzen. Und das kirchliche Lehramt beziehe ich nach wie vor in meine Überlegungen mit ein. Ich gelte da eher als konservativ.»
Laubmann kannte die umstrittene «Befreiungstheologie», deren bekanntester Vertreter Leonardo Boff war, sehr wohl; wurde er doch von Zeit zu Zeit von seinen Studenten angehalten, dazu Stellung zu nehmen. Auch viele theologische Schriften, die Laubmann gelesen
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