Lauf des Lebens
Mr. Dylan zurückkam, wollte sie fertig sein.
Er war nicht einmal erstaunt, als er ihre gepackten Koffer sah.
„Ich wusste, dass Sie den Job annehmen“, sagte er mit ruhiger Stimme.
Dione zog ihre schmalen, schwarzen Augenbrauen hoch. „Sind Sie immer so selbstsicher, Mr. Dylan?“
„Nennen Sie mich doch bitte Richard“, bat er. „Nein, ich bin mir nicht immer so sicher, aber Dr. Norwood hat mir einiges über Sie verraten. Er war überzeugt davon, dass Sie den Job annehmen würden, weil er eine Herausforderung für Sie darstellt. Und als ich Sie gesehen habe, wusste ich sofort, dass er recht hatte.“
„Ich werde ihn ermahnen müssen, nicht alle meine Geheimnisse so leichtfertig auszuplaudern“, sagte sie scherzend.
„Er hat nicht alle ausgeplaudert“, erwiderte er, und irgendetwas in seiner Stimme ließ sie darüber grübeln, wie viel er wohl tatsächlich über sie wusste.
Da sie Richard entschieden zu scharfsinnig fand, wandte sie sich schnell nach ihrem Gepäck um und half ihm, die Sachen zu seinem Auto zu tragen. Sie selbst hatte einen Mietwagen, und nachdem sie das Haus abgeschlossen und den Wagen zum Autoverleih zurückgebracht hatte, war sie fertig zur Abfahrt.
Später, als sie in einem Privatflugzeug westwärts nach Phoenix flogen, fragte sie Richard über ihren Patienten aus. Was liebte er? Was hasste er? Was hatte er für Hobbys? Sie stellte Fragen nach seiner Erziehung, seiner politischen Einstellung, seinen Lieblingsfarben, nach dem Typ Frau, mit dem er sich gerne umgab, und nach seiner Ehefrau, wenn er denn eine hatte. Sie hatte die Erfahrung gemacht, dass Ehefrauen in der Regel eifersüchtig reagierten auf die enge Beziehung, die sich zwischen Patient und Therapeut entspann. Bevor sich Dione auf eine neue Situation einließ, versuchte sie einfach, so viel wie möglich über die Rahmenbedingungen in Erfahrung zu bringen.
Richard kannte sich erstaunlich gut in Remingtons Privatleben aus, sodass Dione ihn schließlich fragte, in welcher Beziehung er zu ihm stand.
Der harte Zug um seinen Mund lockerte sich etwas. „In der Firma, die er leitet, bin ich sein Stellvertreter, deshalb kenne ich ihn als Geschäftsmann. Und außerdem bin ich sein Schwager. Die einzige Frau in seinem Leben, mit der Sie zurechtkommen müssen, ist meine Ehefrau Serena, Blakes jüngere Schwester.“
„Warum betonen Sie das?“, fragte Dione. „Leben Sie zusammen mit Mr. Remington in einem Haus?“
„Nein, das nicht, aber seit seinem Unfall hegt und pflegt Serena ihn sehr intensiv. Und ich bin mir sicher, dass sie nicht sonderlich erfreut sein wird, wenn Sie auftauchen und all seine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sie hat Blake schon immer bewundert, so sehr, dass es fast an eine Obsession grenzt. Der Gedanke, dass er sterben könnte, hat sie beinahe krank gemacht.“
„Ich dulde aber keine Einmischung in mein Therapieprogramm“, warnte ihn Dione. „Ich werde über Mr. Remingtons Tagesablauf wachen, über seine Besuche, sein Essen, ja, selbst über die Anrufe, die er bekommt. Und ich hoffe, Ihre Frau wird das verstehen.“
„Ich werde versuchen, ihr das begreiflich zu machen, aber Serena ist Blake ziemlich ähnlich. Sie ist genauso eigensinnig und zielstrebig. Und sie besitzt einen Schlüssel zu seinem Haus.“
„Dann werde ich die Schlösser auswechseln“, überlegte Dione laut und meinte es vollkommen ernst. Liebevolle Schwester hin oder her – Dione dachte gar nicht daran, sich von Serena Dylan in die Therapie hineinpfuschen zu lassen.
„Gut“, stimmte Richard zu, doch über seinen dünnen Augenbrauen zeigte sich eine kleine Stirnfalte. „Dann werde ich meine Frau vielleicht endlich mal wieder für mich haben.“
Diese Antwort ließ erkennen, dass Richard noch ein weiteres Motiv dafür hatte, seinen Schwager wieder auf die Beine bringen zu wollen. Offensichtlich hatte Serena in den zwei Jahren seit Blakes Unfall ihren Mann vernachlässigt, um ganz für ihren Bruder da zu sein. Und darunter hatte ihre Ehe gelitten. Dione hatte keine Lust, in diese Situation hineingezogen zu werden, aber sie hatte sich bereits verpflichtet, den Fall zu übernehmen, und es war nicht ihre Art, das in sie gesetzte Vertrauen zu enttäuschen.
Aufgrund der Zeitverschiebung war es erst Nachmittag, als Richard Dione in den reichen Phoenixer Vorort brachte, in dem Blake Remington wohnte. Richard saß am Steuer eines eleganten, weißen Lincoln. Als er die geschwungene Auffahrt zu dem Anwesen im Hazienda-Stil hinauffuhr,
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