Lauf des Lebens
sah Dione, dass das Haus nicht minder elegant und vornehm war. Von einem Haus zu sprechen war eigentlich ebenso unpassend, wie einen Hurrikan als frische Brise zu bezeichnen. Es war eine Villa. Sie war weiß und wirkte geheimnisvoll, denn sie präsentierte dem neugierigen Auge lediglich eine undurchdringliche Fassade, den Rest verbargen diskrete Mauern. Das Bild ist schief. Was verbirgt denn nun was? Die Fassade ist schon undurchdringlich und verbirgt das Innere. Was verbergen dann noch die Mauern? Das Haus sieht man ja. Die Gartenanlage war prächtig, eine Mischung aus heimischer Wüstenfauna und üppigem Grün, das das Resultat einer ausgeklügelten Bewässerung sein musste. Die Auffahrt führte zu den Garagen hinter dem Haus, wie Richard ihr erklärte. Doch bis dorthin fuhren sie nicht, sondern hielten an dem bogenförmigen Vordereingang.
Als Dione das riesige Foyer betrat, hatte sie den Eindruck, in den Garten Eden hineinzuspazieren. Der Raum mit seinen kühlen braunen Bodenfliesen, den glatten weißen Wänden und der hohen Decke vermittelte ein Gefühl von Klarheit, Gelassenheit und edler Einfachheit. Die Gebäudeteile waren u-förmig angelegt und gruppierten sich um einen kühlen, duftenden Innenhof. In dessen Mitte stand ein Brunnen aus rosafarbenem Marmor, aus dem eine kleine Wasserfontäne hervorsprudelte. All das konnte man bereits vom Eingang aus sehen, denn die Wände des Foyers bestanden vom Boden bis zur Decke aus Glas.
Dione war noch ganz sprachlos vor Bewunderung, als das Klappern von Absätzen auf den Fliesen sie aus ihrem Staunen riss. Sie wandte ihren Kopf in Richtung der großen jungen Frau, die auf sie zukam. Das musste Serena sein: die Ähnlichkeit mit dem Foto von Blake Remington war zu groß, als dass es sich um jemand anders hätte handeln können. Sie hatte dasselbe weiche, braune Haar, dieselben dunkelblauen Augen und dieselben markanten Gesichtszüge. Doch anders als der Mann auf dem Foto lachte sie nicht. In ihrem Blick lagen Wut und Empörung.
„Richard!“, sagte sie mit leiser, zorniger Stimme. „Wo bist du die letzten zwei Tage gewesen? Wie kannst du ohne ein Wort verschwinden … und dann einfach mit dieser … dieser Zigeunerin … im Schlepptau hier auftauchen?“
Dione verkniff sich ein Schmunzeln. Die wenigsten Leute wären so unvermittelt und ungehobelt zum Angriff übergegangen, aber diese junge Frau vor ihr hatte offensichtlich einiges von der Entschlossenheit, die Richard ihr als typisches Merkmal von Blake Remington beschrieben hatte. Dione wollte gerade anheben und erklären, wie es sich wirklich verhielt, doch Richard kam ihr zuvor.
„Dione“, sagte er und warf seiner Frau einen kühlen Blick zu. „Ich möchte Ihnen meine Frau Serena vorstellen. Serena, das ist Dione Kelley. Ich habe Miss Kelley als Blakes neue Therapeutin engagiert und war in Florida, um sie abzuholen und hierherzubringen. Ich habe im Vorfeld nichts davon erzählt, weil ich nicht darüber streiten wollte. Ich habe sie engagiert. Punkt aus. Ich denke, das beantwortet alle deine Fragen.“ Der Sarkasmus am Ende seiner kurzen Erklärung war unüberhörbar.
Serena Dylan war keine Frau, die man so leicht einschüchtern konnte. Doch jetzt waren ihre Wangen gerötet. Sie wandte sich Dione zu und sagte offen: „Ich möchte mich entschuldigen, auch wenn ich nicht schuld bin an diesem Missverständnis. Wenn mein Mann es für angebracht gehalten hätte, mich über seine Pläne zu informieren, hätte ich Sie sicher etwas freundlicher begrüßt.“
„Das verstehe ich.“ Dione lächelte. „Ich hätte mich an Ihrer Stelle vermutlich nicht anders verhalten.“
Serena lächelte zurück, dann trat sie vor und gab ihrem Mann einen verspäteten Kuss auf die Wange. „Na schön, ich verzeih dir“, seufzte sie, „obwohl ich fürchte, dass du deine Zeit verschwendet hast. Du weißt, dass Blake das nicht akzeptieren wird. Er erträgt es nicht, ständig jemanden an seiner Seite zu haben, und er ist schon genug gebeutelt und bearbeitet worden.“
„Offensichtlich nicht, denn sonst könnte er jetzt wieder laufen“, warf Dione selbstbewusst dazwischen.
Serena blickte sie zweifelnd an, dann zuckte sie mit den Schultern. „Wie gesagt: Ich denke, dass Sie Ihre Zeit verschwenden. Dem letzten Therapeuten, den Richard engagiert hat, hat Blake jegliche Kooperation verweigert, und ich fürchte, bei Ihnen wird er seine Meinung nicht ändern.“
„Ich würde ihn gerne selbst sprechen, wenn ich darf“, beharrte Dione
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