Lauf des Lebens
Rollstuhls und schob ihr Gesicht ganz nah an seines heran, damit er sie ansehen musste. „Ich werde Ihr Schatten sein, Mr. Remington. Die einzige Möglichkeit für Sie, mich loszuwerden, besteht darin, eigenständig zur Tür zu gehen und sie mir zu öffnen. Niemand anders wird das für Sie tun können.“
„Sie überschätzen Ihre Kompetenz, Miss Kelley!“, sagte Serena scharf. Ihre blauen Augen hatten sich vor Wut zu schmalen Schlitzen verengt. Sie zog Dione vom Rollstuhl weg. „Mein Bruder hat gesagt, dass er Sie nicht bei sich haben möchte.“
„Das geht Sie überhaupt nichts an“, entgegnete Dione immer noch freundlich.
„Aber natürlich geht es mich etwas an! Wenn Sie glauben, ich würde Sie einfach so hier einziehen lassen … Sie meinen wohl, Sie könnten sich hier Bett und Tisch auf Lebenszeit erschleichen!“
„Ganz und gar nicht. Ich werde Mr. Remington bis Weihnachten zum Laufen gebracht haben. Und wenn Sie an meiner Kompetenz zweifeln, dann können Sie gerne einen Blick in meine Empfehlungsschreiben werfen. Aber in der Zwischenzeit halten Sie sich bitte heraus.“ Dione richtete sich wieder zu ihrer vollen Größe auf und blickte Serena fest an. Ihre ganze Willenskraft leuchtete aus ihren goldenen Augen.
„Sprechen Sie bitte nicht in diesem Ton mit meiner Schwester“, fuhr Blake scharf dazwischen.
Endlich! Eine Reaktion – auch wenn es eine verärgerte war. Mit heimlicher Freude hieb Dione weiter in die Bresche, die sie in seine Gleichgültigkeit geschlagen hatte. „Ich werde mit jedem so sprechen, der versucht, sich zwischen mich und meinen Patienten zu drängen“, stellte sie klar. Sie stemmte ihre Hände in die Hüften und beobachtete ihn mit verächtlich gekräuselter Lippe. „Schauen Sie sich doch an! Sie sind in einem so erbärmlichen Zustand, dass Sie trainieren müssten, um sich für die 50-Kilo-Fliegengewichtsklasse zu qualifizieren. Sie sollten sich schämen, dass Sie tatenlos zugesehen haben, wie Ihre Muskeln zu Gummi verkümmert sind. Kein Wunder, dass Sie nicht laufen können!“
Seine dunklen Pupillen flackerten auf: ein aufgewühlter, schwarzer See in einem tiefblauen Meer.
„Zum Teufel mit Ihnen!“, würgte er hervor. „Es ist verdammt schwer, Fitnessübungen zu machen, wenn man an so vielen Schläuchen und Kanülen hängt, dass man den Körper darunter kaum noch sieht!“
„Das war damals“, legte sie unerbittlich nach. „Wie sieht es heute aus? Zum Laufen braucht man Muskeln, und Sie haben keine! Mit der Figur, die Sie jetzt abgeben, würden Sie den Kampf gegen eine Fliege verlieren.“
„Und Sie glauben vermutlich, Sie müssten nur mit Ihrem Zauberstab wedeln, um meinen Motor wieder anzuwerfen?“, knurrte er.
Sie lächelte. „Mit meinem Zauberstab? So einfach ist es nun auch wieder nicht. Bei mir werden Sie härter arbeiten müssen als jemals zuvor in Ihrem Leben. Sie werden schwitzen, leiden und mich mit Flüchen überhäufen – aber Sie werden arbeiten. Kurz: Ich werde Sie wieder zum Laufen bringen, und wenn ich Sie dafür halb umbringen muss.“
„Nein, Lady, das werden Sie nicht“, sagte er mit kalter, ruhiger Stimme. „Es ist mir völlig egal, auf welche Art von Vertrag Sie sich berufen. Ich will Sie nicht in meinem Haus haben. Ich werde bezahlen, was immer Sie verlangen, um Sie loszuwerden.“
„Diese Möglichkeit stelle ich Ihnen gar nicht zur Auswahl, Mr. Remington. Eine Abfindung akzeptiere ich nicht.“
„Sie müssen mir diese Option nicht anbieten, ich wähle sie einfach!“
Als Dione in sein wutverzerrtes, zornrotes Gesicht sah, wurde ihr plötzlich klar, dass das Foto des lachenden, entspannten Mannes irreführend gewesen war, dass es in einer Ausnahmesituation entstanden sein musste, die alles andere als typisch war. Mr. Remington war ein Mann mit unbezwingbarem Willen, ein Mann, der es gewohnt war, dass die Dinge so geschahen, wie er sie sich vorstellte – und zwar nur kraft seiner Persönlichkeit und seines Willens. Er hatte jedes Hindernis in seinem Leben durch seine Entschlossenheit überwunden, bis der Sturz von der Klippe all dies geändert und ihn vor das einzige Hindernis gestellt hatte, das er aus eigener Kraft nicht überwinden konnte. Er war nie zuvor auf fremde Hilfe angewiesen gewesen, und jetzt, wo es nicht anders ging, schaffte er es nicht, sie anzunehmen. Weil es ihm nicht gelang, seine Beine zu bewegen, glaubte er, es wäre unmöglich.
Aber Dione war ebenfalls willensstark. Anders als Blake Remington hatte sie
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