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Lauf, Jane, Lauf!

Titel: Lauf, Jane, Lauf! Kostenlos Bücher Online Lesen
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Wohnraum und ließ sich in einen großen, orange-braun gestreiften Ohrensessel fallen. Trotz der Hitze war es im Haus angenehm kühl. Sie lehnte den Kopf zurück und schloß einen Moment die Augen, während sie überlegte, wie lange sie würde warten müssen.
    Im nächsten Moment war sie eingeschlafen.

30
    Sie erwachte vom Läuten des Telefons. Mit einem Sprung war sie auf den Beinen. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, und ihr war schwindlig. Sie sah auf die Uhr und stellte erschrocken fest, daß beinahe zwanzig Minuten vergangen waren, seit sie eingeschlafen war. Wie dumm sie war! Wie unglaublich leichtsinnig. Da hatte sie sich bis hierher durchgekämpft, nur um prompt einzuschlafen
wie Dornröschen. Wenn die Whittakers inzwischen nach Hause gekommen waren und sie hier gefunden hatten, hatten sie bestimmt nichts Eiligeres zu tun gehabt, als Emily ins Auto zu setzen und mit ihr davonzubrausen.
    Das Telefon läutete immer noch. Drei... vier. Dann hörte sie ein anderes Geräusch, das Knallen einer Autotür, die zugeschlagen wurde, danach die Stimme einer Frau. »Ist das unser Telefon, Bert?«
    Einen Moment lang starrte Jane das Telefon an und überlegte, ob sie einfach das Kabel herausreißen sollte. Dann aber rannte sie in die Küche und zog eine der Schubladen im Küchenschrank auf, in der, wie sie sich erinnerte, Michaels Mutter Messer und Scheren aufbewahrte. Sie packte die große Schere wie eine Waffe, raste ins Wohnzimmer zurück und schnitt das Kabel mitten im sechsten Läuten durch.
    »Ich höre nichts!« rief irgendwo draußen Bert Whittaker.
    »Ach, wahrscheinlich haben sie schon aufgelegt. - He, wo willst du hin, mein Fräulein?« rief die Frau scharf. »Du mußt deinem Großvater tragen helfen. - Gib ihr die kleine Tüte da, Bert«, sagte Doris Whittaker. Der scharfe Klang ihrer Stimme reichte bis in die dunklen Winkel des Wohnzimmers, wo Jane wie angewurzelt stand.
    »Hier, Emmy«, sagte Bert Whittaker. »Glaubst du, du schaffst das?«
    »Ach, Großpapa! Das ist doch überhaupt nicht schwer.«
    Jane stand immer noch reglos, die Schere umklammert, als sie das Knirschen des Schlüssels im Schloß der Haustür hörte. Sie wußte, daß sie die Küchenschublade offengelassen hatte, aber jetzt hatte sie keine Zeit mehr, sie zu schließen. Sie konnte sich nur noch hinter den hohen Ohrensessel in einer Ecke des Zimmers ducken, als die Tür geöffnet wurde. Wie lange würde es dauern, bis sie merkten, daß das Telefonkabel durchschnitten war? Wie lange, bis ihnen auffiel, daß die Küchenschublade offenstand
und die große Schere fehlte? Wie lange, bis sie ihr Kind packen und mit ihm fliehen konnte?
    »Wo soll ich die Tüte hinstellen, Großmama?«
    »Stell einfach alles auf den Küchentisch!« rief Doris Whittaker, und Jane hörte Emily durch das Zimmer springen.
    Am liebsten wäre sie einfach aufgesprungen und hätte das Kind in ihre Arme gerissen, ihr süßes kleines Mädchen, das sie fast zwei Monate nicht gesehen hatte, das sie tot geglaubt hatte. Ach Kind, dachte sie, wie soll ich dich hier herausbringen? Wie soll ich uns beide hier herausbringen?
    »Also so was! Schau dir doch mal an, wie dieser dumme Junge an der Kasse die Sachen eingepackt hat!« rief Doris Whittaker empört, während sie, gefolgt von ihrem Mann, durch das Haus ging. »Das ganze Obst hat er nach unten gelegt. Da werden die Pfirsiche nur noch Matsch sein. Hast du denn nicht aufgepaßt, Bert?«
    »Das ist doch deine Aufgabe«, gab ihr Mann zurück und stellte seine schwere Tüte prustend auf den Tisch. »Da hat jemand eine Schublade offengelassen«, bemerkte er und schob sie im Vorübergehen zu.
    »Packen wir gleich mal aus, damit wir sehen, ob das Obst noch in Ordnung ist. Sonst müssen wir gleich noch einmal in den Supermarkt fahren.«
    »Darf ich jetzt schwimmen gehen, Großmama?«
    »Noch nicht. Bist du nicht hungrig?«
    »Nein.«
    »Aber ich. Magst du nicht wenigstens ein Wurstbrot?«
    »Ja, okay. Krieg ich dann auch ein Eis?«
    »Nur wenn du dein Brot aufißt.«
    Was soll ich tun? dachte Jane und überlegte, ob sie einfach mit der Schere in der Hand aus ihrem Versteck hervortreten oder lieber warten sollte, bis Emily allein im Raum war und sie sie heimlich entführen konnte. Sie hörte das Knistern von Papier, das
leise Knarren der Schranktüren, die geöffnet und geschlossen wurden, während draußen in der Küche die Einkäufe verstaut wurden, und ließ sich von der Atmosphäre häuslichen Friedens einlullen, bis Emily mit ihrer

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