Lauf, Jane, Lauf!
Schwein!«
»Jane!« mahnte Renee Bower.
»Du bist wirklich das Letzte!« zischte Jane und schlug mit der Faust auf die kalte Marmorplatte des Schreibtischs, daß Wadell erschrocken zurückfuhr. »Wie kannst du es wagen, alles so zu verdrehen!««
»So ist’s richtig, Jane. Hau du nur auf den Tisch. Das ist schon mal ein guter Anfang. Ich bin gespannt, was als nächstes kommt.«
»Jane«, warnte Renee Bower wieder, »vergessen Sie sich nicht.««
»Vielleicht sollten wir diese Besprechung vertagen. Dann haben Sie Zeit, sich unseren Vorschlag durch den Kopf gehen zu lassen.« Tom Wadell stand auf.
»Augenblick, ich möchte mich doch vergewissern, daß ich das alles richtig verstanden habe«, sagte Jane und begann ihrerseits im Zimmer auf und ab zu gehen, während Michael sich hastig wieder setzte. »Du vermeidest das öffentliche Aufsehen und die unangenehmen Folgen eines unerquicklichen Prozesses. Du behältst deinen Posten im Krankenhaus und deinen tadellosen Ruf. Dafür erhalte ich das alleinige Sorgerecht für Emily. Ich darf täglich für sie sorgen; du darfst sie mittwochs abends und jedes zweite Wochenende belästigen...«
»Jane! Um Gottes willen!« rief Michael.
»...ganz zu schweigen von Ostern, Weihnachten und den Sommerferien, wenn du sie gleich eine ganze Woche, beziehungsweise einen ganzen Monat...««
»Ich glaube nicht, daß uns das weiterbringt«, unterbrach Tom Wadell und begann, seine Unterlagen zu ordnen.
»Hast du im Ernst erwartet, daß ich darauf eingehen würde?« Jane blieb direkt vor ihrem Mann stehen. Nichts hätte sie in diesem Moment lieber getan, als ihm ins Gesicht zu schlagen.
Michael streckte ihr herausfordernd den Kopf entgegen. »Ich habe dummerweise geglaubt, ein Vergleich wäre in unser aller Interesse.«
Jane hielt die Hände eisern an ihre Seiten gepreßt, um ihm nicht die Augen auszukratzen. Und plötzlich sah sie Emily in diesen Augen und begriff, daß ihre einzige Hoffnung zu siegen und Vergeltung zu üben, darin lag, die Ruhe zu bewahren.
»Oh, es ist zweifellos in deinem Interesse und vielleicht auch in meinem«, sagte sie, zu ihrem Sessel zurückkehrend, »aber es ist nicht in Emilys Interesse.« Sie sah Renee Bower an, die sich zu ihr neigte und ihr die Hand drückte. »Außerdem ist es für Vergleiche jetzt viel zu spät.«
Michael lachte bitter. »Was soll das heißen?«
Jane ließ ihre Anwältin für sich sprechen. »Ich komme eben von der Staatsanwaltschaft«, sagte Renee Bower. »Der Staatsanwalt ist bereit, Anklage gegen Sie zu erheben.«
Michael wandte sich seinem Anwalt zu.
»Der Staatsanwalt weiß, daß er mit einer solchen Anklage niemals durchkommen wird«, erklärte Tom Wadell im Brustton der Überzeugung. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß er sich aufgrund der Aussage eines leicht beeinflußbaren Kindes und seiner - verzeihen Sie - gemütskranken Mutter auf einen Prozeß einlassen wird.« Er lächelte Jane an, als hätte er ihr gerade ein großes Kompliment gemacht.
»Wir stehen nicht mehr allein«, entgegnete Renee Bower, und Jane sah, wie das Lächeln auf seinem Gesicht gefror.
»Was soll das heißen?« fragte Michael.
»Entschuldigen Sie mich nur einen Augenblick«, sagte Renee Bower und stand auf. »Ich denke, ich kann Ihnen die gewünschte Aufklärung geben.« Sie eilte aus dem Zimmer.
»Was, zum Teufel, hat das zu bedeuten, Jane?« fragte Michael scharf.
»Regen Sie sich nicht auf«, riet ihm sein Anwalt. »Mrs. Bower ist für ihre Theatereffekte bekannt.«
Knapp eine Minute später erschien Renee Bower wieder. Sie wurde von Paula Marinelli begleitet.
»Paula! Gott sei Dank!« rief Michael. »Wir haben die ganze Woche versucht, Sie zu erreichen.« Er sprang auf, nahm sie bei der Hand und führte sie zum Schreibtisch. »Tom, das ist Paula Marinelli, meine Haushälterin. Sie hat mir bei der Betreuung meiner Frau geholfen. Sie weiß besser als jeder andere, in was für einer Verfassung Jane sich damals befunden hat.«
»Es wird Sie vielleicht interessieren, was Mrs. Marinelli zu sagen hat«, bemerkte Renee Bower und nickte Paula aufmunternd zu.
»Wie konnten Sie das tun, Dr. Whittaker?« fragte Paula leise, mit tonloser Stimme. »Ich habe Ihnen vertraut. Nein, für mich waren Sie ein Heiliger. Wie konnten Sie mich so hintergehen? Wie konnten Sie meine kleine Tochter so verletzen?«
Michaels Gesicht wurde aschfahl. »Verletzen? Mein Gott, ich habe ihr das Leben gerettet!«
»Ja, das ist wahr«, bestätigte Paula, »und
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