Lauf, Jane, Lauf!
hellen Kinderstimme plötzlich fragte: »Was ist denn mit dem Telefon passiert?«
»Jetzt nicht, Emily. Laß mich erst mal die Sachen fertig auspacken.«
»Aber schau doch mal!« Jane stellte sich vor, wie Emily das abgeschnittene Kabel hochhielt.
»Wieso? Was ist denn?« Ungeduld in der Stimme. Eine kurze Pause. Dann Schritte. »Du lieber Gott, was hast du denn da angestellt?«
»Ich hab überhaupt nichts gemacht«, protestierte Emily.
»Das sieht ja aus wie durchgeschnitten!« rief Doris Whittaker, und in ihrer Stimme schwang ein deutlich hörbarer Ton der Beunruhigung. »Bert, komm doch mal her!«
»Ich bin im Bad«, kam es gedämpft zurück.
»Dann beeil dich. Hier geht irgendwas vor.«
Jane hörte das Rauschen der Toilettenspülung.
»Herrgott noch mal, Doris, kann man denn hier nicht mal in Ruhe aufs Klo gehen?« fragte Bert Whittaker gereizt, und das Wort >Klo< klang sonderbar aus seinem Mund. »Was ist denn los?«
»Das Telefonkabel ist durchgeschnitten.«
»Aber ich war’s nicht!« rief Emily sofort.
»Das ist wirklich komisch«, meinte Bert Whittaker nachdenklich. »Ist sonst etwas angerührt worden?«
Jane hörte sie umhergehen und schließlich mit Emily zusammen in den hinteren Zimmern nachsehen.
»Mir ist das nicht geheuer«, erklärte Doris Whittaker.
»Aber sonst scheint alles in Ordnung zu sein.«
»Nein, nein! Komm hierher, Bert. Sieh dir das an!«
Jetzt hatte sie vermutlich das aufgebrochene Fliegengitter an
ihrem Schlafzimmerfenster entdeckt. Jane wußte, daß ihr nicht mehr viel Zeit blieb.
»Da hat anscheinend jemand eingebrochen!«« rief Bert Whittaker.
Jane hörte, wie in den hinteren Zimmern Schubladen und Schränke geöffnet und wieder geschlossen wurden.
»Aber gestohlen haben sie nichts. Der Fernseher, das Radio - alles ist noch da. Von unseren Kleidern fehlt nichts. Nicht einmal das Sparschwein haben sie aufgeschlagen«, sagte Doris Whittaker, die in die Küche zurückgekehrt war. »Wieso sollte hier jemand einbrechen, nur um das Telefonkabel durchzuschneiden?«
»Meine Sachen sind alle da!« rief Emily, die nun auch in die Küche zurückkam.
»Wahrscheinlich war es nur ein dummer Streich«, meinte Bert Whittaker.
»Von wegen! So etwas nennt man Einbruch.«
»Doris, beruhige dich. Du ängstigst das Kind.«
»Ich hab keine Angst, Großpapa.«
»Nein! Das ist gut. Du bist eben ein kluges kleines Mädchen.«
»Hast du nicht vorhin gesagt, hier hätte jemand eine Schublade offengelassen?« fragte Doris Whittaker plötzlich.
»Doch.« Einen Moment Stille. Dann hörte Jade, wie eine Schublade aufgezogen wurde. »Die hier.«
»Mein Gott, die große Schere ist weg.«
»Mit der haben sie wahrscheinlich das Telefonkabel durchgeschnitten. Wir sollten zur Polizei gehen.«
»Bert...«
»Was?«
»Wenn es nun gar keine Einbrecher oder dummen Jungen waren...«
»Was soll das heißen?«
Wieder Stille.
»Emily, weißt du was? Du packst jetzt deine Sachen, dann fahren wir ein paar Tage nach Martha’s Vineyard.«
»Aber Molly hat mir versprochen, daß sie heute nachmittag zum Spielen zu mir kommt.«
»Mit Molly kannst du auch ein andermal spielen. Tu jetzt, was ich dir sage. - Ja, so ist es lieb.«
»Also wirklich, Doris, findest du das nicht ein bißchen übertrieben?«
»Ich glaube nicht, daß wir von Einbrechern Besuch bekommen haben.« Doris Whittaker flüsterte jetzt. »Ich glaube, es ist Jane.«
»Jane!«
»Schsch! Leise! Das Kind!«
»Wie kommst du darauf, daß es - daß sie es ist?«
»Überleg doch mal. Es ist die einzig logische Erklärung. Wieso sollte jemand hier einbrechen und dann nichts mitnehmen? Sie hat das Telefonkabel durchgeschnitten, weil sie Angst hatte, Michael könnte uns anrufen und uns warnen. Denk nach, Bert. Es kann nur Jane sein. Sie will Emily holen.«
»Wenn sie es wirklich war, dann hat sie das Haus leer vorgefunden und ist wieder abgefahren.«
»Bestimmt nicht«, erklärte Doris Whittaker mit Nachdruck. »Wenn sie es ist, ist sie immer noch hier. Wir müssen weg, ehe sie zurückkommt. Emily! Emily!«
»Ich bin beim Packen, Großmama.«
»Laß es. Wir müssen sofort losfahren.«
»Ich brauch meinen Hasen.«
»Jetzt nicht.«
»Doch! Ich will ihn mitnehmen.«
»Wir kaufen dir einen neuen.«
»Ich will aber keinen neuen.«
Jane hörte, daß Emily den Tränen nahe war. Nicht weinen, Schatz, hätte sie am liebsten gerufen. Nicht weinen.
»Ich will meinen Hasen.«
»Hör jetzt endlich auf damit. Wir müssen fahren.«
»Das
Weitere Kostenlose Bücher