Lauf, Jane, Lauf!
eine Kußhand zu«, sagte Emily als Kompromiß. Sie hob beide Hände zum Mund und schmatzte laut. Bert Whittaker hob automatisch die Hand, als wolle er den Kuß auffangen. »Tschüs.« Mit einem scheuen Lächeln zu ihrer Mutter, öffnete Emily die Haustür und lief hinaus.
Doris Whittaker riß die Schultern zurück und hob den Kopf. »Du wirst nicht weit kommen. Wir rufen sofort die Polizei an. Es sei denn, du hast vor, uns zu fesseln, ehe du hier verschwindest«, fügte sie sarkastisch hinzu.
Jane ließ die Schere sinken. »Ich glaube, ich weiß, was Michael euch erzählt hat«, begann sie, »und ich möchte eines klarstellen. Ich...«
»Deine Lügen interessieren uns nicht!« schrie Doris Whittaker und drückte beide Hände auf ihre Ohren. »Wie kommst du dazu, dir so grauenvolle Geschichten auszudenken! Wie kannst du dich unterstehen, den guten Namen unseres Sohnes in den Schmutz zu ziehen! Dazu ist doch nur eine Verrückte fähig.«
»Nicht ich, sondern euer Sohn hat euch belogen.«
»Diese Unverschämtheiten höre ich mir nicht an.«
»Habt ihr mit Emily gesprochen? Habt ihr sie einmal gefragt?«
Doris Whittaker schien die Frage gar nicht zu hören. »Bilde dir nur ja nicht ein, daß du damit durchkommst. Wir werden schon dafür sorgen. Du bist vollkommen verrückt. Wenn es daran je Zweifel gegeben hat, dann beweist diese Eskapade es eindeutig. Mein Sohn wird seinen guten Ruf und seine Tochter behalten. Wir sehen uns vor Gericht wieder, das verspreche ich dir.«
Jane ging zur Haustür und zog sie auf. »Ich freue mich darauf«, sagte sie.
31
»Hast du einen Buben?«
»Einen Buben?« Jane warf einen Blick auf die Karten in ihrer Hand und schüttelte den Kopf. »Nein. Keinen einzigen Buben«, sagte sie zu Emily. »Nimm dir eine Karte.«
»Du mußt sagen >geh fischen<.«
»Ach, entschuldige.Das hatte ich vergessen. Geh fischen.«
Emilys Gesicht zeigte Beunruhigung.
»Was ist denn, Liebes?«
»Fängst du jetzt wieder an, alles zu vergessen?« fragte das Kind.
Jane legte sofort ihre Karten auf den Tisch und drückte Emilys Hände. »Bestimmt nicht, Schatz. Mir geht es wieder gut. Ich bin wieder ganz gesund.«
»Wirklich?«
»Wirklich. Ehrenwort.«
»Manchmal vergeß ich auch was«, sagte Emily, als wolle sie ihre Mutter und sich selbst beschwichtigen.
»Jeder vergißt ab und zu mal was«, bemerkte Sarah Tanenbaum, die in diesem Moment im rosaroten Morgenrock und mit zerzaustem Haar in die Küche kam. »Aber deiner Mama geht’s jetzt wieder ganz gut. Du brauchst dir keine Sorgen um sie zu machen. Also, wer hat Lust auf Frühstück?«
Emily lachte.
»Ich glaube, du meinst Mittagessen«, sagte Jane zu ihrer Freundin.
Sarah stöhnte übertrieben. »Warum hat mich denn keiner geweckt?«
»Wir wollten dich schlafen lassen. Du hast schließlich ganz schön zu tun mit uns beiden.«
»So ein Unsinn! Ich find’s herrlich, euch hier zu haben.« Sarah schenkte sich Orangensaft ein und leerte das Glas mit einem Zug. »Es wäre schön, wenn ihr für immer bleiben würdet.«
»Da in der Kanne ist Kaffee. Ihr seid beide sehr lieb, du und Peter. Ich weiß wirklich nicht, wie ich euch danken soll.«
»Ach, hör doch auf. Wir genießen es, euch hier zu haben. Wir hatten noch nie ein kleines Mädchen im Haus.« Sarah kam mit ihrer Kaffeetasse an den Tisch und setzte sich. »Meine Jungs sind
schon richtig erwachsen«, sagte sie zu Emily. »Zumindest bilden sie sich das ein.«
»Du kannst dich darauf verlassen, daß wir weg sind, ehe sie aus dem Ferienlager zurückkommen«, versicherte Jane.
»Ihr bleibt, bis alles geregelt ist, und basta.« Sarah trank ausgiebig von ihrem Kaffee. »Und was steht heute auf dem Programm?«
»Diane geht mit Emily ins Kino.«
»Und zu McDonald’s«, fügte Emily enthusiastisch hinzu.
Jane fuhr leicht zusammen bei dem Namen und dachte flüchtig an ihr kurzes Gastspiel als Cindy McDonald.
»Sally Beddoes kommt in ungefähr einer Stunde, und Daniel sagte, er wollte vielleicht auf einen Sprung vorbeischauen«, bemerkte sie und bemühte sich, ruhig zu bleiben, da sie wußte, daß ihre Zukunft davon abhing, wie gefaßt und beherrscht sie auf ihre Umwelt wirkte.
Sarah trank hastig den letzten Schluck Kaffee. »Dann zieh ich mich jetzt mal lieber an. In diesem Aufzug braucht mich kein Mann zu sehen.«
»Und Peter?« fragte Emily. »Er ist doch auch ein Mann.«
»Mit Peter bin ich verheiratet. Der zählt nicht. Außerdem ist er beim Golfspielen. Kannst du dir das vorstellen -
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