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Lauf, Jane, Lauf!

Titel: Lauf, Jane, Lauf! Kostenlos Bücher Online Lesen
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Alpträume mehr. In Ordnung? Hör mal, ich muß jetzt aufhören. Ich muß das Abendessen herrichten.«

    Abendessen? Jane warf einen Blick auf die Uhr auf Michaeals Schreibtisch und legte den Hörer behutsam wieder auf die Gabel. Es war nach vier. An welchem Tag? Wie viele Tage hatte sie verschlafen?
    Sie hörte Paula in der Küche rumoren, während sie geistesabwesend das Telefon anstarrte. Wie viele ihrer Freundinnen hatten in den letzten Wochen versucht, sie zu erreichen? Wem alles hatten Paula und Michael weisgemacht, sie wäre in San Diego bei ihrem Bruder?
    Bei dem Gedanken an ihren Bruder sprang sie mit einem Satz in die Höhe und schrie auf, als sie sich die Knie am Schreibtisch anschlug. Einen Moment blieb sie stocksteif stehen. Hatte Paula den Schrei gehört? Sie hielt sich an der Schreibtischkante fest, um nicht umzukippen. Ihr Herz raste. Sie fürchtete, sie würde ohnmächtig werden. Mein Bruder, sagte sie sich, während sie sich an der Wand entlang zum Schlafzimmer zurücktastete, und plötzlich fiel ihr ein, wie sie über ihren Kleiderschrank hergefallen war, wie sie ihre Handtasche entdeckt, ihren Führerschein und ihre Kreditkarten gefunden hatte, all die Dinge, die sie ganz zweifellos auf eine längere Reise mitgenommen hätte.
    In der Erwartung, das Chaos wütend verstreuter Kleider und Schuhe vorzufinden, das sie angerichtet hatte, taumelte sie ins Schlafzimmer zurück, aber hier war alles fein säuberlich aufgeräumt. Von ihrem Tobsuchtsanfall war keine Spur mehr zu entdecken. Sie schleppte sich zum Schrank und zog die Spiegeltüren auf.
    Alle ihre Kleider hingen sauber und adrett auf ihren Bügeln. Alles sah aus, als wäre es nie berührt worden. Schuhe, die quer durchs Zimmer geflogen waren, standen jetzt wie brave Soldaten in Reih und Glied; Pullover, die sie hierhin und dorthin geschleudert hatte, lagen akkurat gefaltet übereinander. Die Schubladen, die sie geleert hatte, waren gefüllt und präzise eingeteilt. Alte Hüte und Sweatshirts lagen auf dem obersten Bord.
Nur der Karton, der ihr während ihres Wutanfalls auf den Kopf gefallen und aus dem die Handtasche mit all ihren Papieren herausgefallen war, nur dieser Karton fehlte. Hatte er überhaupt existiert? Oder hatte sie sich die ganze Szene vielleicht nur eingebildet?
    Oder sollte Michael sie von Anfang an belogen haben?
    Er hatte der Polizei erklärt, er habe das Verschwinden seiner Frau nicht angezeigt, weil er geglaubt habe, sie sei zu Besuch bei ihrem Bruder in San Diego. Er hatte Jane erzählt, sie hätte ihren Bruder mit ihrem Besuch überraschen wollen, darum sei ihr Bruder nicht beunruhigt gewesen, als sie nicht angekommen war. Er hatte behauptet, ihren Bruder nach ihrer Heimkehr aus dem Krankenhaus angerufen zu haben, um ihm zu versichern, daß kein Anlaß zur Sorge bestehe. Aber hätte ihr Bruder sich wirklich durch ein paar wohlüberlegte Worte beruhigen lassen? Ein hysterischer Zwang zur Flucht aus der Realität, verbunden mit totalem Gedächtnisverlust war doch nichts so Alltägliches wie eine Grippe. Hätte ihr Bruder sich bei einer solchen Nachricht nicht ins nächste Flugzeug gesetzt, um nach ihr zu sehen? Hätte er nicht wenigstens darauf bestanden, mit ihr selbst zu sprechen? Und wenn er tatsächlich hier angerufen und immer wieder zu hören bekommen hatte, sie schlafe oder fühle sich nicht wohl oder sei nicht fähig, ans Telefon zu kommen, hätte das seine Besorgnis nicht noch gesteigert?
    Das läßt sich ganz leicht feststellen, dachte sie und blickte zur Tür, als sie auf der Treppe Paulas Schritte hörte. Du brauchst ihn nur anzurufen.
    Sie kroch wieder ins Bett, schloß die Augen und stellte sich schlafend, als Paula zur Tür hereinkam. Geh wieder, flehte sie im stillen, als sie merkte, daß Paula sich dem Bett näherte. Du siehst doch, daß ich schlafe. Selig und süß. So wollt ihr mich doch haben - fügsam und ohnmächtig. Los, zieh die Bettdecke glatt und verschwinde wieder. Ich hab viel zu erledigen, ich muß dringend
telefonieren. Zieh die Decke glatt und geh runter, das Essen machen. Ja, so ist es brav. Nein, nein, was tust du da? Was tust du da?
    Sie fühlte, wie Paula ihren schmerzenden Arm unter der Bettdecke hervorzog und mit der Innenseite nach oben auf der Bettkante ausstreckte. Sie roch den Alkohol, fühlte etwas Kaltes und Feuchtes auf der Haut und riß die Augen auf.
    »Nein, bitte nicht!« schrie sie, als sie die Nadelspitze in der Ellenbogenbeuge spürte.
    »Ganz ruhig«, sagte Paula, als

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