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Lauf, Jane, Lauf!

Titel: Lauf, Jane, Lauf! Kostenlos Bücher Online Lesen
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Ding!« schrie sie und packte das weiße Baumwollnachthemd, um es in Fetzen zu reißen. »Das alles hier ist überhaupt nicht mein Zeug. Das alles hat mit mir überhaupt nichts zu tun. Das bin ich nicht.«

    Im nächsten Moment lag sie auf den Knien und langte in die hintersten Ecken des Schrankes, zog die Schuhe heraus, riß die letzten Kleider von den Bügeln.
    »Zum Teufel mit dir!« schrie sie. »Zum Teufel, hast du mich verstanden? Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben. Du bist eine Irre. Eine Wahnsinnige bist du!« Sie kickte strampelnd die Schuhe hoch in die Luft.
    Dann sprang sie wieder auf und streckte sich nach dem obersten Bord im Schrank, auf dem alte Hüte und Sweatshirts lagen, Reisetaschen und Kartons. Mit einer einzigen wilden Bewegung fegte sie alle Sachen vom Bord.
    »So machen Verrückte Hausputz!« kreischte sie, als ein Karton ihren Kopf traf, ehe er zu Boden fiel. Der Deckel sprang auf, eine dunkelbraune Handtasche rollte heraus und blieb zu ihren Füßen liegen.
    Mit einem Schlag hatte die Raserei ein Ende. So erregt Jane vorher gewesen war, so ruhig war sie jetzt. Langsam, beinahe bedächtig ging sie in die Knie und griff nach der Handtasche. Sie hielt den Atem an, obwohl sie nicht hätte sagen können, warum, und öffnete die Tasche. Ein paar Papiertücher waren darin, ein Hausschlüssel, Autoschlüssel und eine rostbraune Brieftasche. Sie klappte sie auf.
    Es war alles da: ihr Führerschein; ihre Sozialversicherungskarte; ihre Kreditkarten. Ihre ganze Identität. Versteckt in einem Karton ganz oben im Schrank. Warum? Wenn sie wirklich vorgehabt hatte, ihren Bruder in San Diego zu besuchen, hätte sie dann diese Dinge nicht mitgenommen? Wäre sie ohne alle Ausweispapiere, ohne Führerschein nach Kalifornien geflogen? Wäre sie ohne ihre Handtasche aus dem Haus gegangen?
    Vielleicht hatte sie in Wirklichkeit nie vorgehabt, ihren Bruder zu besuchen. Aber warum behauptete Michael es dann? Warum hatte er den Ärzten und der Polizei diese Geschichte erzählt? Warum hätte er lügen sollen? Um sie zu schützen?

    Oder sich selbst?
    »Jetzt weiß ich, daß du verrückt bist«, flüsterte sie, unfähig, dem plötzlichen Verdacht ins Auge zu sehen. »Du bist total ausgerastet.«
    Als sie zur Tür blickte, sah sie Michael und Paula, Seite an Seite, Furcht und Besorgnis auf den Gesichtern.
    »Was geht hier vor, Michael?« fragte sie und hielt hoch, was sie in der Handtasche gefunden hatte.
    »Bleib ganz ruhig«, sagte Michael, während Paula ihren Arm packte und ausstreckte.
    »Nein, bitte...« rief Jane, aber es war zu spät. Die Nadel hatte schon ihre Haut durchbohrt.

16
    Schweißgebadet schreckte Jane aus einem Traum hoch, in dem sie eine Gruppe Skinheads mit einem der Stofftiere ihrer Tochter in Schach gehalten hatte. Ihr war speiübel, der Arm tat ihr weh, und sie schaffte es nicht gleich, die Augen zu öffnen. Als es ihr schließlich gelang, drehte sich das Zimmer wie ein Karussell um sie, und sie mußte sie sofort wieder schließen.
    Keine Panik, rief sie sich zu und geriet dennoch in Panik. Es ist ja alles gut. Du bist doch zu Hause in deinem Bett. Du wirst doch vom besten aller Ehemänner bestens versorgt.
    Sollte sie ihn wirklich betrogen haben?
    »Nein«, stöhnte sie. Nein, das hab ich nicht getan. Das könnte ich gar nicht. Ich weiß vielleicht nicht, wer ich bin, aber ich weiß hundertprozentig, daß ich keine heimliche Liebschaft hatte. Ich bin vielleicht fähig zu morden, aber niemals könnte ich meinen Mann betrügen. Lieber Gott, hör sich das einer an! Wenn das nicht pervers ist! Ich morde, aber ich würde nie mit anderen
Männern schlafen. Ich rette Regenwälder, aber ich zerstöre Ehen.
    Was ergab das alles für einen Sinn?
    Wozu hätte Carole lügen sollen? Welches Motiv konnte sie haben?
    Obwohl sie die Augen noch immer fest geschlossen hielt, spürte sie, wie sich alles um sie drehte. Caroles Wut war echt gewesen, davon war sie überzeugt. Ihr Zorn war kein Theater. Aber wie gut kannte sie Carole denn? Hatte nicht Carole selbst bemerkt, daß im Grund kein Mensch den anderen wirklich kannte?
    Nein, eine so glänzende Schauspielerin kann sie nicht sein, dachte Jane. Sie glaubt wirklich, daß ich mit ihrem Mann ein Verhältnis hatte. Und doch war sie bei der ersten Begegnung und bei Janes späterem Besuch in ihrem Haus freundlich, offen und hilfsbereit gewesen. Da waren weder Zorn noch Groll zu spüren gewesen. Keinerlei Feindseligkeit. Das mußte bedeuten, daß sie von Janes

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