Lauf, so schnell du kannst
gestand sie. »Ich wusste nicht, wie das geht. Du weißt schon – das Make-up, Frisuren, dieser ganze Kram. Dad hätte mir nichts davon beibringen können, und als ich ein Teenager war, hat mich das alles ohnehin nicht besonders interessiert. Als ich in Billings gelebt habe, habe ich zwar mehr in der Richtung unternommen, aber ich war mir – und das immer noch so – nicht sicher, ob ich es richtig gemacht habe und gut ausgesehen habe. Aber für meine Hochzeit wollte ich hübsch sein, ich wollte, dass mein Haar und mein Make-up perfekt waren.«
Während sie ihre Unsicherheit zeigte, wurden ihre Wangen heiß. Sie wusste, dass sie keine Schönheitskönigin war, aber sie war auch nicht unattraktiv. Normalerweise dachte sie überhaupt nicht über ihr Aussehen nach, vom Haarebürsten und dem Auftragen einer Feuchtigkeitscreme mit Lichtschutzfaktor einmal abgesehen. Das alles einem Mann gegenüber zuzugeben – insbesondere Dare Callahan – war trotzdem unangenehm.
»Warum war deine Mom nicht da, um dir solche Sachen beizubringen?«, fragte er unumwunden. »Ich glaube nicht, dass jemals irgendjemand etwas darüber erzählt hat, nicht mal Evelyn French, und diese Frau kaut dir – wenn es sein muss – ein Ohr ab.«
Trotz ihrer Verlegenheit musste Angie grinsen. Jeder, der einen Fuß in den Eisenwarenladen setzte, machte die Erfahrung, wie gern Evelyn redete. »Dann hat sie wohl nie genug Mut aufgebracht, Dad danach zu fragen. Andernfalls hätte sie es bestimmt erzählt. Es ist keine große Sache. Ich erinnere mich nicht an meine Mutter. Sie hat Dad und mich verlassen, bevor ich zwei war. Sie hatte irgendeinen schmierigen Typen, mit dem sie ihn betrogen hat, und ich schätze, sie war lieber mit diesem Typen als mit uns zusammen. Also ist sie gegangen.«
Seine Augen wurden schmal. »Das ist übel.«
»Das hätte es sein können«, stimmte sie ihm zu. »Ich kann auch nicht behaupten, dass ich mich nicht gefragt habe, wie es gewesen wäre, wenn sie geblieben wäre. Aber gleichzeitig war Dad einfach großartig. Er hat nie schlecht von ihr gesprochen, und als ich gefragt habe, hat er mir erzählt, was geschehen ist, und es dabei bewenden lassen.« Sie schwieg. »Nach seinem Tod bin ich seine Papiere durchgegangen und habe ihre Scheidungsurkunde gefunden. Sie hat ihm die volle Vormundschaft übertragen, mich einfach weggegeben, und ich nehme an, sie hat nicht einmal zurückgeblickt, denn sie hat nie versucht, mich zu sehen oder in irgendeiner Form mit mir Kontakt aufzunehmen. Ich habe ihr diesen Gefallen erwidert.«
»Hat dich ziemlich angepisst, was?« Seine volle Aufmerksamkeit galt ihrem Gesicht, als wollte er jede Nuance ihres Mienenspiels auffangen. Was? Dachte er denn, dass sie völlig verkorkst war, nur weil ihre Mutter sie verlassen hatte?
Sie begann schon zu widersprechen, doch dann bremste sie sich. »In gewisser Weise schon. Ich fühle mich nicht traumatisiert, denn ich erinnere mich überhaupt nicht an sie, aber ich denke, Dad muss stärker darunter gelitten haben, als er mir gegenüber jemals zugegeben hat. Das pisst mich an, um seinetwillen. Und wenn ich zurückblicke, frage ich mich, ob er deshalb nicht so viele Dates hatte, weil er sich so darauf konzentrieren musste, sich um mich zu kümmern. Es kann nicht leicht für einen Mann sein, für niemanden, plötzlich mit der vollen Sorgepflicht für ein Kleinkind dazustehen.«
»Ich würde todsicher Panik kriegen«, bemerkte er.
»Blödsinn«, spottete sie. Sie hatte keinen Zweifel, dass er es schaffen würde. Er war kein Mensch, der in Panik geriet, er war ein Mann, der seinen Job erledigte, gleichgültig was für ein Job es war. »Egal. Sie ist eine, die schnell aufgibt, und man kann wohl sagen, dass es mich insofern beeinflusst hat. Ich gebe nicht so schnell auf. Ich will nicht so sein wie sie.«
»Das bist du auch nicht«, sagte er nach einer kurzen Pause, und seine raue Stimme war leise. »Du gibst nicht auf.«
Als sie ihn das sagen hörte, schnürte es ihr aus irgendeinem Grund die Kehle zu, als würde sie gleich anfangen müssen zu weinen. Entsetzt über diese Vorstellung räusperte sie sich. »Das reicht jetzt – zu diesem Thema. Willst du nun was über meine Hochzeit hören oder nicht?«, fragte sie mit finsterem Blick.
»Ja, das will ich. Wir sind irgendwie vom Thema abgekommen.«
»Du meinst, du bist vom Thema abgekommen. Ich wollte dir erzählen, was passiert ist, als du abgeschweift bist.«
»Entschuldigung, ich war bloß
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