Lauf, so schnell du kannst
sabotierte.
Sie versuchte, etwas Ärger zu finden, mit dem sie sich selbst unterstützen konnte, aber da war einfach keiner. Stattdessen musste sie zugeben, dass das Schlafen an seiner Seite süßer und verführerischer war als alles, was ihr je geschehen war.
Sie steckte in ziemlich großen Schwierigkeiten.
23
Es regnete immer noch. Angie dachte einen Moment lang über diese schreckliche Tatsache nach, dann schob sie sie beiseite, denn sie konnte nichts dagegen tun. Sie richtete sich auf, gähnte, schob sich das Haar aus den Augen und sagte zu Dare: »Wenn du keinen Kaffee hast, werde ich dich leider umbringen müssen.«
Er öffnete eines seiner leuchtend blauen Augen, musterte sie für einen Moment schweigend und murmelte dann: »Teufel, ich glaube dir.«
»Also?«
»Also nehme ich an, dass ich aufstehen und dir Kaffee machen werde.«
»Guter Deal.« Sie war sich ziemlich sicher gewesen, dass er Kaffee dahaben würde; schließlich hatte er einen Perkolator. Allerdings bestand auch die Möglichkeit, dass er das Gerät nur für seine Kunden hier oben aufbewahrte – und dass er selbst irgendein unnatürliches Wesen war, das nur Wasser trank.
Er streckte seinen langen Körper, knallte mit den Armen gegen die Trennwand, und der Schlafsack rutschte zur Seite. Ihr Mund wurde feucht, und sie musste schlucken; er sah gleichzeitig anrüchig und zum Anbeißen aus, mit einem Bart, der etwa achtundvierzig Stunden über einen Fünf-Uhr-Schatten hinaus war, und schlafzerzaustem, dunklem Haar. Angie wandte bewusst den Blick von dem Spiel seiner Muskeln ab und zwang sich stattdessen, sich auf profanere Dinge zu konzentrieren, wie zum Beispiel auf die lästige Notwendigkeit, sich um körperliche Bedürfnisse zu kümmern.
Vielleicht konnte sie ihren Knöchel heute ein wenig belasten, was den Ausflug nach draußen sehr erleichtern würde. Sie schob den rechten Fuß unter dem Schlafsack hervor und untersuchte ihn. Die Zehen sahen immer noch leicht geschwollen aus, aber nicht mehr sehr. Ganz vorsichtig bewegte sie sie, nur um zu sehen, ob es möglich war. Es fühlte sich okay an, daher bewegte sie sie noch etwas mehr. »Wenn mein Knöchel gebrochen wäre, würde es dann wehtun, mit den Zehen zu wackeln?«
»Keine Ahnung. Ich hab mir mal den Arm gebrochen, drei Rippen, ein Schlüsselbein, die Nase, und ich habe mir die Kniescheibe angeknackst, aber ich habe mir nie einen Knöchel gebrochen.«
Sie sah ihn an und runzelte die Stirn. »Neigst du zu Unfällen?«
»Ich betrachte es eher als Abenteuerlust. Die Nase habe ich mir gebrochen, als ich acht war und versucht habe, mit dem Fahrrad über eine Rampe zu springen.«
»Sie sieht gar nicht gebrochen aus.« Das tat sie wirklich nicht. Der Nasenrücken war vollkommen gerade.
»Bei Kindern verheilt es besser als bei Erwachsenen. Die Rippen habe ich mir mit vierzehn gebrochen, als mich ein Pferd getreten hat. Die angeknackste Kniescheibe war ein Footballspiel. Der gebrochene Arm und das Schlüsselbein ein Trainingsunfall.«
»Was ist passiert?«
»Es war eine Kletterübung. Der Bursche über mir hatte den Halt verloren und ist gestürzt, und er hat mich und noch einen Mann mitgerissen.«
Er hätte getötet werden können. Wenn er mit dem Kopf oder dem Rückgrat aufgeschlagen wäre … Angie musste sich abwenden, bevor er das plötzliche Entsetzen in ihrem Gesicht sehen konnte. Die Möglichkeit erfüllte sie mit Übelkeit, obwohl sie in der Vergangenheit lag, so wie ihr jedes Mal übel wurde, wenn sie die Narbe an seiner Kehle sah und begriff, wie leicht ihn dieser Granatsplitter hätte töten können, wenn er seine Halsschlagader getroffen hätte. Er war dem Tod schon so oft so nah gewesen, eine Frage von Zentimetern, von einem Sekundenbruchteil …
Sie liebte ihn.
Oder
könnte
ihn zumindest lieben. Sie drückte sich eine Hand auf den Bauch und kämpfte darum, dasselbe Übelkeit erregende Gefühl zu kontrollieren, das sie in einem Riesenrad befiel, mit dem sie überhaupt nicht gern fuhr. Ihre eigene Geschichte hatte sie gelehrt, dass sich nicht automatisch alles in Wein und Rosen verwandelte, wenn man etwas für jemanden empfand. Es existierte eine sexuelle Anziehungskraft, das hatte Dare klargemacht, aber wahrscheinlich war sexuelle Anziehungskraft auch alles, was zwischen ihnen existierte.
»Alles in Ordnung? Du siehst ein bisschen blass um die Nase aus«, bemerkte er, als er sich die Stiefel anzog.
»Kopfschmerzen«, antwortete sie automatisch, was durchaus stimmte,
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